Zunächst ist alles so, wie es sein soll: Das Hotel ist edel, der Palmenstrand atemberaubend, das Paar sieht gut aus, der Sex funktioniert. Urlaub im Süden. Dass das alles nicht gut weitergehen wird, ist klar. Weswegen Simon Groß gleich zu Anfang die glücklichen Urlaubsimpressionen von Daniel (Matthias Schweighöfer) und Laura (Marie Zielke) zu rot eingefärbten Stills einfriert.
In „Fata Morgana“, dem ersten Spielfilm von Groß, geht es um die Zerrüttung der heilen Welt; sie wird in der Wüste stattfinden. Per Jeep transportieren sich die beiden Mitzwanziger an den Ort ihrer Bankrotterklärung; auch ihr Vehikel ist rot, Marke Defender. Der hübsche Daniel, jetzt mit Cowboyhut, fährt. Laura mit den großen braunen Augen sitzt neben ihm, die Spagettiträger in Schwarz und Fliederfarben unterstreichen ihren zarten Oberkörper. Ihr Pony ebenso wie der ausgepolsterte BH, Marke H&M, versichert dem Zuschauer, dass dieses Allerweltspärchen der Jetztzeit entsprungen ist.
Der Film lässt sich Zeit. Ockerfarbene Impressionen von sanft sich ins Unendliche schwingenden Sanddünen begleiten das Paar und kontrastieren dessen Farblosigkeit. Gegen seine Leere wirkt selbst die Wüste lebendig. Die beiden selbst wissen mit der Landschaft wenig anzufangen. Es fehlt ihnen der Kick, der Zugang: Was sollen wir hier? Kurz entschlossen verlässt Daniel die Straße und fährt mitten hinein in die traumschöne Sandlandschaft. Das Genre dusselige Touristen ist zu bekannt, als dass man nicht sofort wüsste: Das war jetzt keine gute Idee. Doch Groß setzt auch gar nicht auf Überraschung. Das von ihm gewählte Verfahren ist stattdessen die Unerbittlichkeit: Seine Protagonisten werden ab jetzt keinen Fehler mehr auslassen. Ihr Handlungsradius folgt strikt den ungeschriebenen Gesetzen einer ach so trivialen Fantasielosigkeit von wohlerzogenen Kindern, die mit Garten aufgewachsen sind.
Schade nur, dass die Figuren letztlich zu fade sind, als dass ihre Tristesse einen wirklich angehen würde. Daran vermag auch die solide Schauspielkunst nichts zu ändern. Sollen sie doch in der Wüste vertrocknen – ihre Klone werden weiter tausendfach durch die Welt laufen und sich und anderen bei dem ein oder anderen Wüstendrama auf die Nerven fallen.
Groß nimmt sich in seiner Kritik an der fadenscheinigen Coolness der behüteten Mittelschicht, zumal an der der nichtsnutzigen Fräuleins, sehr ernst. Doch wer, bitte sehr, hätte von Rehauge etwas anderes erwartet, als dass sie umgehend die Seiten wechselt, sobald die Situation ungemütlich wird? Natürlich macht es aber auch Spaß zuzugucken, wie der 1976 in Berlin geborene Regisseur die beiden Mitte-Kids in der selbst verschuldeten Ödnis ihrer saturierten Dümmlichkeit herumtappen lässt – am Ende sind sie dann doch eine zu einfache Beute.
Text: Ines Kappert
zuerst erschienen in der taz vom 18.8.2007
Bilder: Stardust
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