Elefanten mit Flokati
Der Clash der Kulturen wird in „10.000 BC“ mit dem Figurenarsenal der Steinzeit ausgefochten – leider mit prüdem Plot und lauen Special Effects.
Roland Emmerichs „10.000 BC“ verwundert. Nicht weil es sich um grelle Unterhaltung handelt, mit Jägern und Kriegern, Frauen mit krass blauen Kontaktlinsen, die gerettet werden müssen, wilden Kreaturen und richtig bösen Feinden. Nein. All das will man ja haben von einem Film mit dem Titel: „10.000 Jahre vor Christus“. Und der Regisseur von „Independence Day“ und „The Day After Tomorrow“ kann das ja auch: die große Geste, die riesige Totale aufs katastrophische Menschheitsgeschehen, in der ganz großen Trivialität. Dieser Film ist erstaunlich, weil ihm genau das nicht gelingt – und sonst auch nichts.
Selbstredend geht es ums große Ganze. Der Clash der Kulturen will diesmal mit dem Figurenarsenal der Steinzeit gestemmt werden. Mammuts – dargestellt von Elefanten, denen aus gegebenem Anlass am Computer ein mokkafarbener Flokatiteppich übergeworfen wurde –, ein Säbelzahntiger (mit echt langen Fangzähnen) plus verschiedene schwarze Steppen- und Wüstenmänner – liebevoll „Speere“ genannt – kämpfen gegen eine urböse Priesterkaste. Diese verehren eine Art gealtertes Negerbaby, dem jedoch die schwarzen Pigmente fehlen. Die Oberbösen sind infantile schwarze Greise ohne Farbe. Sie sind welk. Degenerierte Vampire. Emmerich legt ohne Frage Wert darauf, einer rassistischen Symbolik treu zu sein.
Die blutleere Kaste des Grauens lässt von kraftvollen dunklen Männern mit Hakennasen und Mohammed-Bärten von überall her unschuldiges Menschvolk ankarren. Dieses wird versklavt, schließlich müssen der falschen Götter Pyramiden fertig gestellt werden. Und nirgends regt sich Widerstand. Ein junger weißer Mann mit Achselhaar aber weiß es besser. Weil: „Alte Mutter“ hat es ihm gesagt. Er, der aus der Landschaft des „weißen Regens“ kommt, wird die Menschheit befreien und dafür die blauäugige Frau kriegen. Sonnenklar. Spannung lässt der Film nicht mal versuchsweise aufkommen. Des Helden Erfolgsrezept: die Begeisterung der unterdrückten Massen.
Emmerichs Film feiert das christlich-weiße Amerika als Begründung der Zivilisation. Zahllose Penetrationsfantasien für Anfänger helfen über die Langeweile des prüden Plots mit lauen Special Effects hinweg. Bestien müssen ihre Mäuler weit aufreißen, damit der sagenumwobene „weiße Speer“ des weißen Mannes sein Ziel findet. Oder er bohrt sich direkt ins finstere Herz der falschen Prediger. Filme wie „There Will Be Blood“ oder „No Country for Old Men“ zeigen die Gründungsmythen des von Bush hinterlassenen bigott-neoliberalen Amerika in ihrer gnadenlosen Menschenverachtung. Emmerich setzt sie in heilloser Dümmlichkeit in Szene.
Text: Ines Kappert
zuerst erschienen in der taz (2008)
Bilder: Warner
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