Die Burger-Wehr
Morgan Spurlocks Dokumentarfilm “ Super size me“: Kotzen und klotzen für die gute Sache
Michael Moore sieht aus, als gehöre er zu jenen, die Morgan Spurlock retten
will. Doch wenn der Dünne sich erbricht, dann kotzt er zum Ruhme des Dicken.
Michael Moore, dessen Cannes-Gewinner Fahrenheit 9/11 Ende dieses Monats in
den deutschen Kinos startet, ist der zur Zeit bekannteste
Dokumentarfilmregisseur der Welt. Das liegt unter anderem daran, dass kein
anderer Dokumentarfilmregisseur so oft zu sehen ist wie Michael Moore in
Dokumentarfilmen von Michael Moore. Er hat sich selbst zum dramaturgischen
Kern gemacht, er ist die Story. Moore hat beinahe ein Subgenre geschaffen,
er hat etwas geleistet, das man die Boulevardisierung des Dokumentarfilmes
nennen könnte. Dieser schrill-heitere Mix aus sachlicher Information,
visueller Animation und polemischer Aggression gewinnt, das ist seine
Leistung, den Themen ein ungleich breiteres Publikum als dies eine
herkömmliche Ästhetik vermag. So entspricht, was Moore für den
Dokumentarfilm tat, einem generellen Trend der Medienwelt. Es gehört wenig
Prophetie zu der Annahme, dass Moore stilbildend wirken wird und Morgan
Spurlock ist sein erster Schüler, der für Super Size me den Regiepreis auf
dem Sundance Festival erhielt. Und man darf darüber nachdenken, weshalb ein
amerikanischer Dokumentarfilm in der Thüringer Landeshauptstadt parallel zum
Deutschlandstart angespielt wird, während zwei hoch dotierte deutsche
Dokumentarfilme Die Spielwütigen und Höllentour , hier noch nicht zu sehen
waren. Das bestätigt in gewisser Weise Moore und Spurlock: In dieser Zeit,
da die Medien um die Aufmerksamkeit des Publikums kämpfen, gewinnt was laut
und schrill ist.
Was kotzt.
Und klotzt. Denn in diesem Film wird, was die Mittel betrifft, richtig
geklotzt. Spurlock ernährt sich im dokumentierten Selbstversuch dreißig Tage
dreimal täglich ausschließlich bei McDonalds, was manchmal heiter und
manchmal drastisch ist, eine Art von satirischem Happening. Gewiss, so
werden Themen, hier das Fast-Food-Risiko, weltweit kommuniziert. Aber ich
mag die Boulevardisierung des Dokumentarfilmes so wenig wie die des Lebens
überhaupt. Unter anderem, weil in diesem intelligent-witzigem
Überwältigungskino Fact und Fake ineinander fließen. So sehe ich diese
Burger-Wehr ein wenig so wie jede Bürger-Wehr: mit viel Distanz.
Über die Hälfte, 54,4 Prozent, der Thüringer gelten als übergewichtig. Nun
dringlich vor die Frage gestellt, ob mir denn die Schönheit des Kinos etwa
wichtiger sei als die Essgewohnheiten der dicken Mitbürger entgegne ich: :
So ist es.
Autor: Henryk Goldberg
Text geschrieben 2004
Text: veröffentlicht in Thüringer Allgemeine
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