Käpt’n, mein Käpt’n!
„Master & Commander“ : Russell Crowe zur See
Es ist dunkel. Der Mann mit der Laterne macht eine Führung für uns. Er leuchtet die Details aus der Dunkelheit. Die Seile, das Stundenglas, die Takelage, die sich wie ein grafisches Muster markiert. Dann erst sehen wir die Summe der Details das Schiff. So haben wir noch nie die Brüchigkeit eines großen Schiffes empfunden. So hat noch nie ein Schiff in seinen Geräuschen gelebt, so wie auf dieser Tonspur, so wurde noch nie ein Schiff verwüstet, so wie von dieser Breitseite, in einer Zeit, da man Schiffe nicht zu Schrott schoß, nur zu Sägemehl. So viel wie Peter Weir hat uns noch nie
jemand über das Leben und Sterben an Bord eines Seglers um 1800 gezeigt. Die Frage aber ist, ob wir das wirklich wissen wollen. Die Frage ist, ob die naiven, die schwelgerischen Filme der Seeräuberei dem Genre nicht gerechter
werden als diese Kunstleistung.
Wenn Russell Crowe als Gladiator gleichsam den Sandalenfilm vom Staub befreite, so lässt er als Kapitän eines britischen Kriegsschiffes, 1805 im Pazifik eine überlegene französische Fregatte jagend, nicht den guten alten Piratenfilm frisch zu Wasser. Denn Peter Weir hat das Genre nicht wiederbelebt, er hat es neu definiert, er hat es benutzt. Ein Film, der ein wenig erzählende Dokumentation ist, ein wenig auch Kulturfilm, dessen einziger Landgang auf den Galapagos-Inseln stattfindet, wo wir das Leben der Lurche beobachten. Und schließlich weiß Weir, dass es ohne ein wenig Spannung und Action nicht abgeht. Doch mehr interessiert ihn die Beziehung des Kapitäns zu seinem Schiffsarzt, der lieber seine naturkundliche Sammlung bereichern als verletzte Arme amputieren würde. Manchmal machen die beiden Freunde Hausmusik an Bord.
Dieser Film ist mit viel Kunst gefertigt, die digitalen Effekte protzen nicht, die Tonspur ist exzellent, so hat Spielberg vor Omaha Beach gearbeitet. Da ist viel Authentizität, indessen, in diesem abenteuerlichen Subgenre interessiert mich Authentizität den Teufel. Käpt’n, mein Käpt’n! war der Kampfruf in Weirs wunderbaren Club der toten Dichter. Manchmal möchte man das diesem Film zurufen. Um ihn ein wenig von der Hausmusik und den Lurchen wegzulocken.
Autor: Henryk Goldberg
Text geschrieben 2003
Text: veröffentlicht in Thüringer Allgemeine
Bildquelle: Fox
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