Sehnsucht, kontinental
Euro- Oscars für Euro- Land
Vielleicht gibt es das doch, das Euro-Land. Die Verteilung der Euro-Oscars, der Europäischen Filmpreise, lässt wenigstens glauben, es seien die Probleme der Europäer in einer durchaus unfabelhaften Welt, mithin ihre Sehnsüchte, sehr ähnlich verfasst. Denn Die fabelhafte Welt der Amelie des französischen Regisseurs Jean-Pierre Jeunet beschwor am Wochenende in Berlin einen europäischen Konsens der Sehnsucht. Vier Preise bester Film, beste Regie, Publikumspreis für Regie und beste Kamera , erhielt das von poetischer Fantasie überbordende Märchen, die im Minuten-Takt Überraschungen produzierende Wunder-Maschine des europäischen Kinos.
Mag sein, dass es eben diese Eigenschaft war, die die Juroren des europäischen Films bewog, Jeunets in der Tat verzaubernde Arbeit zum kontinentalen Film zu Jahres zu küren: Die eingelöste Hoffnung, es könne und womöglich: nicht nur dieses eine mal , auch einem europäischen Film, gegen die amerikanische Konkurrenz, gelingen, ein Millionenpublikum zu überwältigen, es emotional zu bezwingen. Die große Zauberin Audrey Tautou aber ging leer aus bei den Preisen. Die Art, wie sie verlor, und gegen wen, lässt vermuten, dass der Filmakademie wohl bewusst war, den hübschesten, den populärsten Film auszuzeichnen: aber nicht den wirklich besten, den künstlerisch beträchtlichsten. Denn das war Michael Hanekes Klavierspielerin. Isabelle Huppert gewann, mit jedem Recht der Welt, den Preis als beste Schauspielerin für ihre unglaubliche Intensität und mit eben diesem Recht hätte man den Film des Österreichers als Ganzen küren können. Der Preis für die, nicht missverstanden zu werden: wunderbare, Amelie bekräftigt das Kino als Ort der Träume, nicht dem der Wirklichkeit. Die kam vor in einer anderen Produktion des deutschen Kulturraumes, Andreas Veiel gewann mit der RAF-Dokumentation Black Box BRD den Dokumentarfilmpreis.
Bester Schauspieler wurde Ben Kingsley, auch er für eine Komödie. Das ist alles zu verstehen, nur Baz Luhrmanns Moulin Rouge zum besten nicht-europäischen Film zu deklarieren und seinen Hauptdarsteller Ewan McGregor für den Beitrag zum Weltkino zu preisen , das darf denn doch irritieren, bei allem schrägen Witz.
Der ist bei Monthy Phyton zu Hause, die für ihr Lebenswerk geehrt wurden. Deren Hit gab wohl auch der Akademie das Credo für die Saison: Always look to bright side of life.
Autor: Henryk Goldberg
Text geschrieben 2001
Text: veröffentlicht in Thüringer Allgemeine
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