Keiner darf gewinnen

„Kurzer Prozess“ – Robert De Niro und Al Pacino, zwei alte Männer in Betrachtung des Lebens

Eine gern genommene Redewendung besagt, gute Schauspieler vermöchten selbst mit dem Telefonbuch Interesse zu erzeugen. Was ein Unsinn. Denn selbst erstklassige Schauspieler wie Robert De Niro (65) und Al Pacino (68) können es nicht einmal mit einem schlechten Drehbuch.

Robert De Niro heißt hier Turk, das bedeutet beinahe Truthahn. Al Pacino heißt Rooster, das bedeutet Hahn. Das ist, darauf ließe sich wetten, eine selbstironische Anspielung, auf den Hahnenkampf, den die beiden Superstars sich in ihrem ersten wirklich gemeinsamen Film liefern, in „Heat“ hatten sie nur wenige gemeinsame Minuten. Solche Art von Ironie klingt viel versprechend, doch dieses Versprechen wird nicht einen Moment lang eingelöst. Es ist, als hätten alle Beteiligten befürchtet, einer der beiden Stars könnte ein wenig besser sein als der andere. Also schrieben sie den beiden Rollen in der gleichen Tonlage, mit austauschbaren Texten, also reduzierten sie den Wettbewerb auf die Frage, wer öfter „ficken“ sagen darf. Und weil De Niro da vorn liegt, bekommt Pacino die Chance eine Zeugin aufzufordern, sie möge ihn  „die Eier lecken“, eine Gerechtigkeit muss schon sein. Und die besteht darin, dass einer der beiden Weltstars des anspruchsvollen Unterhaltungskinos so langweilig ist wie der andere. So haben sich Bob und Al weiterhin lieb und niemand muss sich ärgern. Ausgenommen das Publikum.

Im Normalfall ist das Beste, was einer Bühne, einem Film, also einem Publikum, geschehen kann das Duell zweier erstklassiger, gleichwertiger Schauspieler. Das Problem dieses Filmes beginnt damit, dass dieses Duell schon in der Anlage nicht vorgesehen ist, vermutlich tatsächlich der Befürchtung wegen, einer könnte es gewinnen. Aber keiner darf gewinnen, das war die Grundregel. Und so sind die beiden Rollen nicht auf Konfrontation angelegt: Zwei Cops, die schon über dreißig Jahre beim New York Police Departement abgeleistet haben, das sieht man. Dass sie auch erfolgreiche Jahrzehnte beim Hollywood Departement geleistet haben, das sieht man nicht. Zwei Bullen, das Leben gelebt, die Illusionen verbraucht, Whisky und Sprüche. Da ist in den Rollen schon kein Gegeneinander angelegt, nur eine träge, nicht mehr zu befragende Übereinstimmung. Zwei alte Männer in Betrachtung des Lebens. Dann beginnt eine Serie von Morden, deren Opfer nicht verurteilte Verbrecher sind, der Mann, der die Tochter seiner Freundin vergewaltigte und ermordete, solche Typen. Es muss ein Polizist sein, der Selbstjustiz übt, einer von beiden. Truthahn oder Hahn?

Bis diese Frage sich beantwortet, quält sich die Story teilnahmslos von Szene zu Szene, gelegentlich weiß der Zuschauer nicht recht, wozu er gerade gebeten ist. Der Täter hinterlässt tatsächlich bei jedem seiner Opfer ein Gedicht, das ist so spannend, so aufregend, wie Edgar Wallace am Nachmittag, nur so lustig ist es nicht. Die Story gähnend und die Situationen so, dass keiner der beiden wirklich herausragenden Darsteller die Chance hat, mehr zu zeigen als sein berühmtes Gesicht. Immer korrekt und paritätisch im Umschnitt, die Prüfung mit einer Stoppuhr ergäbe vermutlich absoluten Gleichstand bei den Großaufnahmen. Es sieht sich so an, als hätte Jon Avnet („Grüne Tomaten“) hier keinen spannenden Film mit seinen erstklassigen Schauspielern inszenieren wollen, sondern penibel die Vorgaben des jeweiligen Managements der beiden umsetzen müssen. Lieber beide langweilig als einer ein bisschen interessanter. Zwei Boxer, die lieber beide einen schlechten Kampf machen, als dass einer einen großen Kampf knapp verlieren könnte. Dabei, wenn man diesen beiden großartigen Schauspielern entsprechende Arbeitsmöglichkeiten böte, dann könnte keiner von ihnen wirklich verlieren.

Wie schlecht dieser Film ist markiert sich an zwei Punkten. Zum einen wird die Aura von Robert De Niro und Al Pacino fast vollständig vernichtet. Und zum anderen gibt es ein Showdown wie es, theoretisch, besser nicht sein kann. Jungskitsch bis zum Abwinken, Männerfreunde, Schuld und Sühne, töten und Sterben lassen, Sterben als der letzte Freundesdienst. Männer sterben wie Männer leben, wunderbar. Und wird doch zu einer vollkommen drögen, vollkommen teilnahmslosen Veranstaltung. Schlimmer kann ein Film nicht scheitern: Robert De Niro und Al Pacino, zwei Freunde, einer tötet den anderen – und keiner weint mit.

Es gibt einen Drogendealer, den spielt Curtis Jackson, bekannt als der Rapper 50 Cent. Sollte jemand von Ihnen mehr für den Eintritt in diesen Film verlangen – laufen Sie weg.

 

Autor: Henryk Goldberg

Text geschrieben März 2009

Text: veröffentlicht in Thüringer Allgemeine