Viel Spaß, viel Schauwert und wenig Mitgefühl – Die drei Musketiere im neuen Gewand
Immer diese Schlampe. Mylady verfolgt uns nun schon seit unserer Jugend und seit damals hassen wir sie von Herzen und warteten bang, ob es der liebreizenden Constance doch einmal gelingen möge, der Schlampe zu entkommen. Dieses Mal gelingt es, und die Schlampe ist gar nicht so schlimm. Allerdings, wenn sie D’Artagnans Liebste wiederum gemeuchelt hätte, es würde uns weniger betroffen haben als vor Zeiten. Und das ist vielleicht ein kleines Problem dieser im Übrigen sehr unterhaltsamen und teuren deutschen Produktion.
Paul Anderson will, anders als es in den letzten Jahren mit dem Western, dem Piratenfilm und dem Sandalenfilm geschah, das Mantel-und-Degen-Genre nicht neu beleben. Er will vielmehr „Die drei Musketiere“, Dumas‘ Klassiker der Abenteuerliteratur, dem ästhetischen Zeitgeist anverwandeln. So hat er mit Logan Lerman einen Helden im Teenager-Look, der mit dem ebenso jungen, allerdings etwas infantilen König Mädchenprobleme bespricht. So lässt er das eigentlich arbeitslose Team der Musketiere eine Schatzkammer knacken, die einem gewissen Herrn da Vinci gehört, und daraus Baupläne für Luftschiffe entwenden, die über den Dächern von Paris in einen furiosen Luftkampf geführt werden, woraufhin das eine über Notre Dame zum Absturz gebracht wird und das andere im königlichen Gartet. So taucht einer der Musketiere aus dem Wasser auf wie eine Mischung aus Bond und Star Wars. So dringt die Schlampe in die Gemächer der Königin, wie sie es gelernt hat von Tom Cruise, so springt sie vom Dach des Schlosses, wie sie es gelernt hat von Lara Croft.
Das alles macht sehr viel Spaß, Paul Anderson zitiert mit Lust und macht Laune. Er spielt, auch das ein Zitat, mit animierten Landkarten, und wenn der Off-Sprecher zur Einführung erklärt, es seien nur eine Handvoll Männer, die es vermöchten, die Apokalypse zu verhindern, dann ist selbst das ein sanft ironisches Zitieren düsterer Filmwerbung.
Der Boden bei Kardinal Richelieu, Christoph Waltz mit seiner hier etwas routiniert wirkenden Brillanz, ist ein Schachtbrett, hier spielt der Kardinal gegen den einzigen würdigen Gegner, gegen sich. Und so spielt auch Anderson, mit Brillanz, die 3D-Technik schafft hier tatsächlich, auch im wörtlichen Sinne, Tiefe. Allerdings, so nimmt er auch die Geschichte nicht wirklich ernst. Deshalb sind die Musketiere enttäuschte, desillusionierte sowie nette Raufbolde, die keinem Ideal mehr dienen, deshalb ist auch Buckingham, der schrill-schräge Orlando Bloom, ein Taugenichts und Mylady kann man irgendwie verstehen. Das ist alles sehr schön anzuschauen und sehr unterhaltsam, aber im Grunde ist es uns egal, was geschieht mit den Figuren.
Ach, es war schon schön, als die Schlampe die Constance ums Leben brachte und es uns das Herze brach.
Henryk Goldberg, Thüringer Allgemeine 05.09.2011
Bild: Constantin Film
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