Das Lügen der Bilder
John Forbes Nash sitzt am Schreibtisch und arbeitet, der Ehrgeiz. Andere haben schon veröffentlicht. »Ist mein Zimmergenosse ein Arsch?« spricht da jemand zu ihm und springt lächelnd auf Johns Schreibtisch, hockend wie ein Gnom. Der Bursche da wird Johns bester Freund werden und wenn er sich Jahrzehnte später von ihm verabschiedet, dann wird das eine Trauer sein und ein Triumph.
Die Geschichte, die Ron Howard in »A Beautiful Mind« erzählt, ist die des Mathematikers John Nash, der an hochgradiger Schizophrenie litt, sich mit reiner Willenskraft selbst therapierte und 1994 für seine spieltheoretischen Arbeiten den Nobelpreis für Wirtschaft erhielt. Dieser Film, der zu den großen Gewinnern der Oscar-Saison zählen sollte, ist ein wenig trivial und ein wenig oberflächlich. Vor allem aber ist er sehenswert. Vor allem ist Russel Crowe sehenswert. Genauer zu sein, er ist überragend.
Ron Howard zeigt uns, was Schizophrenie ist, vielmehr, er vermittelt einen Begriff davon. Denn der Befund als solcher ist für einen durchschnittlichen Menschen so aussagekräftig wie eine mathematische Formel. Doch wo die Formeln auch von den Bildern nicht verlebendigt werden können, die Krankheit kann es. Und Howard trägt den Bildern genau das auf, was ihnen so häufig, beinahe rituell vorgeworfen wird: er läßt sie lügen. Denn eben das, das Lügen der sich als Wirklichkeit gerierenden Bilder, ist die Krankheit. Der Mathematiker imaginiert Menschen und Situationen, die nur in ihm existieren. Und diesen Prozeß überträgt der Film auf seinen Zuschauer, lange so sieht, wie der Kranke sieht. Das vermittelt eine Art von sichtbaren Begriff der Krankheit – und eine Art von Trivialität. Denn diese Tagtraumbilder sind zum Teil so gewollt schlicht, dass wir im Nachhinein, wie im Kriminalfilm, alles erklären könnten – was natürlich auch bedeutet, dass der Film selbst, der ja immer im Präsens stattfindet, in diesen Momenten ästhetisch schlicht ist. Und natürlich ist diese Art von Erklärung, einmal erkannt, auch eine Trivialität per se, eine Versimplifizierung, die einen Verlust an geistiger Schärfe bedeutet. Diese Bilder sind für das Kino was das Modell für die Wissenschaft ist: sie lehren ein Problem verstehen, indem sie es simplifizieren. Das ist der Preis.
Und die Schauspielkunst von Russell Crowe ist ihn wert. Wie er in zerstreuter Beiläufigkeit den filigranen Verfall spielt, wie seine Gesichte sein Gesicht zeichnen, wie er mit dem körperlichen Verfall die geistige Aufrichtung bezahlt, das ist schlicht wundervoll. Wenn es um Kunst gegangen wäre, dann wäre ,ist nach nach dem »Gladiator« der zweite Oscar gewesen. Dieses mal der richtige.
Autor: Henryk Goldberg
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