Reiten für die Rache
Das Scheißhaus ist besetzt sagt Marshall Rooster Cogburn, als Mattie Ross an die Tür des Verschlages klopft, um ihm ein anderes Geschäft vorzuschlagen.
Und dieses Geschäft, wird für das Mädchen, das sein Leben lang Geschäfte machen wird, zum Hauptgeschäft.
Diesen Film gab es schon einmal, mit John Wayne. Das ist nicht verwunderlich, denn es gab wohl jedes Western-Motiv schon einmal mit John Wayne. Verwunderlich ist eher, dass die genialischen Brüder Joel und Ethan Coen ein Western-Remake inszenieren. Die Geschichte spielt in Texas, das schon einmal ihr No Country for Old Men war. Doch dieses mal ist es genau das: Ein Land für alte Männer, junge Mädchen, die jetzt schon alte Frauen sind und allerlei komische Käuze. Und vermutlich will True Grit, der wahre Mut, so etwas wie einen Abschied erzählen, aber anders, als Clint Eastwood es mit seinem Spätwestern Erbarmungslos tat.
Manchmal, wenn sie durch das Indianergebiet reiten, erschießt der Marshall ein paar Männer und manchmal fällt er selbst vom Pferd, weil er besoffen ist.
Manchmal hängt ein Mann hoch oben in einem Baum, dann muss Mattie hinaufklettern und ihn abschneiden, um zu sehen, ob es der Mann ist, den sie suchen.
Manchmal begegnen sie dann einem Indianer, der die Leiche mitnimmt. Kann sein, sagt der Marshall, sie hat irgendeinen Tauschwert.
Und manchmal begegnen sie dann einem Bären, der auf einem Pferd reitet. Das ist der Heiler und er hat dem Indianer die Leiche abgehandelt.
In diesem Texas wird noch geschossen aber es wird schon gehandelt. Gehandelt und geredet, was das Zeug hält. „Nein Mam, ich darf nicht mehr von Ihnen reden.“, sagt der schwarze Anwaltsgehilfe, als Mattie ihm schöne Grüße an den Chef aufträgt. Sie hat mit ihm gehandelt und geschachert wie ein Orientale mit BWL-Diplom. Vollkommen humorlos verhandelt Mattie mit dem Marshall den Preis seiner Kopfgeldjagd und vollkommen humorlos, das ist der Witz dabei, droht sie Jägern und Gejagten jenseits der Zivilisation mit ihren Anwälten: Dieses Western-Land ist schon überzogen vom nahenden Kapitalismus, es ist schon beinahe am Ende. Und es wird das Beste sein, woran Mattie sich erinnert, wenn sie eine 40-jährige freudlose Jungfer ist mit einem Arm und keinen Mann. Und die beiden Männer, mit denen sie als Kind ihre wohl einzige wirkliche Liebe erlebte, der Marshall und der Texas-Ranger, werden nur noch Folklore sein.
Wie das Genre Western im Folklore war, eine Folklore allerdings, die tief in der amerikanischen Geschichte und Mentalität verwurzelt ist. Und vielleicht ist das auch das Problem dieses Filmes: Dieses Folklore ist so oft zelebriert und interpretiert worden, dass es kaum noch etwas gibt, was nicht versucht worden wäre mit diesem Genre: Es scheint, als wüssten die Coens nicht so ganz genau, was sie wollten mit dieser Geschichte.
Es ist keine Parodie, obgleich es viel Ironie gibt. Der Texas Ranger, gespielt von Matt Damon ist eine sanfte ironische Abhandlung über den Kult der Texas Ranger, der ist schon seine eigene Folklore. Jeff Bridges hingegen, der Marshall, ist so gut wie unkomisch, obgleich sein Vorname, Rooster, Hahn bedeutet. Er hat, besoffen und in langen Unterhosen, nichts von Lee Marvin der einst für Cat Ballou ritt. Bridges ist großartig, wie eine Variante seines Dude aus The Big Lebowski in den Farben des Wilden Westens. Die sind hier bleich und fahl, es ist ein Abend-Land.
Und Mattie, es ist im Grunde ein Drei-Personen-Stück, die jetzt 14-jährige Hailee Steinfeld, ist vollkommen humorlos. Sie streitet mit protestantischem Ernst und spricht Sätze wie Meine Mutter ist zaghaft und geplagt von Kummer, und Nichts ist umsonst, heißt es am Anfang im Off, außer Gottes Gnade. Die Rache kostet das Mädchen 100 Dollar und einen Arm. Und sie wird in dieser seltsamen Menage a trois mit dem Marshall und dem Ranger, sie retten ihr das Leben, etwas erfahren, was ihr später nicht mehr widerfahren wird: Liebe. Mag sein, das ist die Gnade.
Es ist diese Unentschiedenheit zwischen Ironie und Botschaft, zwischen Zitat und Original, die True Grit, bei aller handwerklichen Brillanz, nicht zum brillanten Coen-Erlebnis werden lässt. Es ist ein Western, aber es fehlen die Rituale des Genres, das Lauern vor dem Ziehen, der Schurke stirbt beinahe beiläufig, er ist das Mittel, nicht der Zweck. Es ist zuweilen heiter, aber keine Parodie. Es ist ein seltsamer Zwitter.
Goethe nannte den Faust sein Hauptgeschäft. Von den Coens und True Grit wird das nicht gelten. Mit und ohne Oscar.
Text: Henryk Goldberg
Text erschienen in Thüringer Allgemeine, 26.02.2011
Bilder: Paramount
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