Die Leute sind wir
„Die Hälfte der Zuschauer hat nur die Fernbedienung verloren. Die andere Hälfte wartet auf den Pfleger, damit sie umgebettet werden.“ Betty ist die neue Produzentin des so beschriebenen Frühstücksfernsehens . Und lässt ihre Leute alles tun für die Quote, Frösche küssen und so. Eigentlich mögen wir solche Leute nicht, aber Betty mögen wir. Dafür ist Mike, der den Schwachsinn nicht mag, „der drittschlimmste Mensch der Welt“.
Mediensatire, das im Zusammenhang mit „Morning Glory“ gelegentlich verwendete Wort, muss ein Missverständnis sein. Dieser Film von Roger Michell, dem wir das wunderhübsche „Notting Hill“ verdanken, schaut sich an wie die heitere Imagewerbung einer privaten Fernsehanstalt, die gerade die letzten seriösen Informationen aus dem Programm gekegelt hat und dafür nun lustig um Verständnis wirbt. The show must go on, es geht halt nicht anders, die Leute sind eben so. Die Leute sind wir. Und wenn wir Mike, der sich benimmt wie ein Arschloch und einmal ein großer Journalist war, wenn wir ihn dann also doch wieder mögen, dann ist es, wenn er sich eine Küchenschürze umbindet und statt von den Brennpunkten der Welt von denen des Herdes berichtet.
Mediensatire geht anders.
Das ist ein hübscher, ein netter Film, der jedoch viel Wirkungsmöglichkeiten verschenkt, der eine Story erzählt, die ziemlich auf der Stelle tritt und lange das immer wieder Gleiche erzählt.
Betty, die sehr quirlige, sehr zappelige, sehr sehenswerte Rachel McAdams, soll als Produzentin das verluderte Frühstücksprogramm auf Quote bringen und sie tut es, indem sie Mike, den stoischen Harrison Ford, zum Arbeiten zwingt.
Mike war einmal ein Star des politischen und investigativen Journalismus, mit diesem bunten Quark, den sie hier auf die Mattscheibe schmieren, will er nichts zu schaffen haben. Aber er muss, er hat einen Vertrag. Also tut er Dienst nach Vorschrift, also sagt er gelangweilt „Ja“ wenn Colleen ihn groß ankündigt und macht seinen Job, wie er ihn immer machte.
Colleen, die immer und unter beinahe allen Umständen sehenswerte Diane Keaton, war einmal Miss Arizona und möchte, wenn Mike einen Korb mit Südfrüchten in die Garderobe bekommt, auch einen haben. Und da macht Aline Brosh McKenna, die immerhin das Buch zu „Der Teufel trägt Prada“ schrieb, wohl einen Fehler. Denn die Szenen, da Diane Keaton und Harrison Ford miteinander zicken, gehören zu den besten des Filmes, in Sonderheit, wenn sie ihr Lächeln diszipliniert und live in die Kamera lächeln. Davon, vom Zicken & Zetern der ehemaligen Schönheitskönigin und des ehemaligen Journalistenkönigs hätte es mehr, viel mehr sein können, das wäre die funkelnde Mitte einer Komödie.
Aber diese Komödie erzählt Roger Michell leider nur am Rande, er verschenkt die Möglichkeiten einer Schauspielerin wie Diane Keaton. Er konzentriert sich auf das Duell der hyperaktiven Betty mit dem hypergelangweilten Mike, auf ihre Mühen, den arbeitsverweigernden alten Nachrichtenmann für die Arbeit in der schönen neuen Medienwelt zu gewinnen. Das hat Schwung und Drive in der Inszenierung aber kaum in der Story, die Regie ist hier deutlich besser als das Buch. In der Nebenhandlung gibt es eine mittelklassige Lovestory mit dem Kollegen von nebenan.
Irgendwann ist Betty bei der Konkurrenz, die bietet ihr einen Traumjob, und das Team von „Morning Glory“ macht den störrischen Mike für das damit drohende Ende der Sendung verantwortlich. Da gibt der alte Nachrichtenprofi alles und bindet sich die Kochschürze um. Dann haben ihn alle lieb.
Am fröhlichen Ende kündigt Mike seine Prostata-Untersuchung an. Das sei, sagt Betty, doch ein tolles Sujet für ihre Sendung, live und in Farbe. Irgendwann wird sie gewinnen. In Deutschland wäre das natürlich nicht möglich. Da war es eine Darmspiegelung.
Text: Henryk Goldberg
Text erschienen in Thüringer Allgemeine,17.01.2011
Morning Glory, Roger Michell (USA 2010)
Bilder: Paramount Pictures
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