Ein Männerfilm
Dieser Film lief während des vergangenen Sommers in Deutschland, beinahe niemand hat ihn da gesehen. Jetzt, da „Tödliches Kommando“ mit den wichtigsten Oscars ausgezeichnet wurde, wird sich daran wohl nicht so sehr viel ändern: Die erste Vorführung in Erfurt verzeichnete im Kino keine 20 Besucher
„Ich mach das schon“, sagt Sergeant William James, dann geht er in die Todeszone. Er will den Roboter nicht vorschicken zu der Bombe, und er will den Schutzanzug nicht. „Wenn ich schon sterbe, dann will ich es bequem haben.“ Er wühlt in den verlassenen Autos und er wühlt im heißen Sand nach den Bomben. Den Bomben, die er entschärfen soll und die ihn töten können. Er sieht die Männer am Straßenrand und in den Fenstern und er weiß nie, ob es ein harmloser Neugieriger ist oder der, der die Bombe zünden wird. „Weißt du, warum ich bin wie ich bin?“ fragt er einmal seinen Kameraden. Der weiß es nicht, er weiß es nicht, wir wissen es nicht und nicht einmal Kathryn Bigelow weiß es. Deshalb wühlt er weiter nach den Bomben, jeder nicht gestorbene Tod bestätigt ihm, dass er lebt. Er ist ein Teil des Krieges, und der Krieg ist ein Teil von ihm. Später einmal wird er, zu Hause, in einem Supermarkt stehen, um Cornflakes für sein Kind zu kaufen und die Verwirrung, die ihn überkommt vor dieser Wand von Cornflakes, wird größer sein als jede Verwirrung und jede Angst, die ihn in Bagdad traf.
Und das soll der Film einer Frau sein?
Wieso nicht? Es ist der Film einer Frau über Männer. Wenn es einen Aspekt gibt, an dem sich der weibliche Blick auf diese Männer festmachen ließe, dann ist es vielleicht der Grund des Ritters, sich Tod und Teufel als Gesellschaft zu erwählen: Es gibt keinen. Der Mann tut es nicht für sein Land und nicht für ein Ideal, er tut es nicht, weil er eine verdammte Pflicht hat. Er tut es, weil er ein verdammtes Ego hat, weil er nichts so gut kann wie nach Bomben wühlen. Die Bomben und die Angst sind seine Droge. Er tut es, weil er ein Mann ist, weil Männer manchmal so sind, weil der Krieg manchmal so etwas mit ihnen macht. Weil sie Angst haben, wenn nichts ihnen Angst macht. Sagt eine Frau.
In Kathryn Bigelows erstklassigem Thriller „Gefährliche Brandung“, da will ein Verbrecher-Mann lieber sterben mit einem großen Abgang als im Gefängnis verrotten, und der Polizisten-Mann ermöglicht es ihm, er versteht den anderen. Kathryn Bigelow hat das damals vollkommen ironiefrei erzählt, so wie sie hier vollkommen distanzlos erzählt. Der Film handelt, 2004, vom Krieg der Amerikaner im Irak, aber er kommentiert diesen Krieg nicht, „Tödliches Kommando“ ist, wenigstens von der Intention her, kein Anti-Kriegsfilm. Er ist aber auch nicht das Gegenteil davon, und vielleicht ist das ein Grund für seine weltweit sehr eingeschränkte Breitenwirkung: Er zeigt uns weder ein erschütterndes Plädoyer gegen diesen Krieg, noch ist er die Feier von Blut und Heldenmut. Es ist einfach ein Film, der zeigt, wie ein Krieg und ein Mann einander brauchen. Einfach ein Film, der so genau, so unstilisiert und so unspektakulär hinschaut, wie dieser Krieg und dieser Mann miteinander umgehen, wie es sonst kaum geschieht.
„Tödliches Kommando“ hat nur eine vage, dünne Story, der Krieg selbst ist die Story. Bigelow arbeitet viel mit der unruhigen Handkamera, gehetzte Bilder, wie man sie von TV-Berichterstattern kennt, die selbst um ihre Deckung fürchten, mitten in den Kugeln. Doch dann, wenn ihr Mann in die Todeszone geht, und das ist der größere Teil des Filmes, dann nimmt sich Kathryn Bigelow alle Zeit der Welt, dann schaut sie so genau hin, so intensiv, so unspektakulär wie es bislang kaum jemand tat, das ist das Besondere an diesem Film, daraus wächst seine Spannung. Sie zeigt das Handwerk und die Angst und die Sucht nach beiden. Sie zeigt die Männerspiele und die Männersprüche nach dem Einsatz, und sie zeigt sie ohne Distanz, ohne Ironie.
Kathryn Bigelow hat, ohne Zweifel, Respekt für diese Männer, und wenn es nicht relativ sinnlos wäre, den Oscars und der Academy in Hollywood einen Trend zu unterstellen, dann ließe sich sagen, mit diesem harten Film einer Frau hat das Gewalt-Prinzip des Mannes gewonnen gegen das Friedens-Prinzip der Frau, das der sanfte Mann James Cameron vertrat mit „Avatar“. Wer mag, kann darin eine Botschaft sehen: Das war, bei den Oscars, keine Quotenfrau und kein Quotenfilm. Frauen können Männer jederzeit schlagen – wenn sie die besseren Männer sind.
Einmal, fast am Ende, sehen wir die Frau von Sergeant William James. Sonst kommen Frauen in diesem Film so gut wie nicht vor. „Tödliches Kommando“ ist ein reiner, ein vorzüglicher Männerfilm.
Text: Henryk Goldberg
Bild: Concorde Film
Tödliches Kommando – The Hurt Locker (USA 2008)
Regie: Kathryn Bigelow
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