Dunkle Zeiten
Es grummelt und es munkelt, Unheil rauscht irgendwo. Und dann, wir sind noch ganz am Anfang, dann sagt eine Stimme „Dies sind dunkle Zeiten“.
Dieser Satz gibt dem Film seinen Ton, als Atmosphäre, als Farbe. Viel mehr als diesen einen Satz hat dann David Yates auch nicht zu erzählen. Und er benötigt dafür 140 Minuten. Das ist ziemlich viel Zeit für ziemlich wenig Handlung.
Das beispiellose Potter-Fieber ist zu Ende, seitdem J.K. Rowlings Geschichte auserzählt wurde für ein weltweites Publikum. Das zeigte sich übrigens auch gestern in Erfurt, als sich das Publikum in der allerersten Vorstellung verlor – früher standen sie Schlange für die Karten zur ersten Mitternachtsvorführung. Und vielleicht blieb das auch auf die Produzenten nicht ohne jeden Einfluss. Dieser, sozusagen, erste Teil des letzten – den allerletzten gibt es im kommenden Sommer – dieser Halbfilm also wirkt so elegisch, so traurig, als wollten sie selbst Abschied nehmen. Und womöglich weil sie so traurig sind, haben sie vergessen, dass Film, der auf ein breites Publikum zielt, eine Handlung benötigt, etwas, das die Geschichte vorantreibt. Hier ist es eher, als gäben sie sich Mühe, die reichlich zwei Stunden in gefühlte vier zu verwandeln.
Im letzten Teil, Kenner wissen das, müssen Harry, Hermine und Ron die Horkruxe suchen und die Heiligtümer des Todes. Das ist eine komplizierte Angelegenheit, die der Film nicht im Mindesten mitteilen kann. Gewiss, man kann auf die Kenntnis des Publikums bauen, doch leidet die Geschichte sichtlich darunter, dass wesentliche Scharniere der Handlung einfach unerklärt bleiben. David Yates war wohl erbarmungslos entschlossen, hier Atmosphäre zu erzählen, was er übrigens gut kann. Welke Farben, bleiches Land, freudlose Menschen. Diese Möglichkeit, einmal so richtig schwelgen zu dürfen im filmischen Erzählen muss ihn so fasziniert haben, dass er Situationen übersah und verschenkte, die jeder Regisseur an einem kleinen Stadttheater bemerkt haben würde. Ist es schon trostlos für den Zuschauer, dem traurigen Trio lang, ganz lang auf ihrer so trost- wie ratlosen Campingtour in die Ödnis zu folgen, so wird das, was sich hier an Dramatik bietet verschenkt wie es kein Anfänger täte. Ron verlässt den Freund und die Freundin, eine emotional spannende Situation in der Erzählung. Weil sie diese Situation in der Inszenierung nicht vorbereiten können, muss Ron dann die Anmutung eines Halbdebilen verbreiten. So plötzlich, so unvorbereitet kehrt er zurück und Harry reagiert, als sei nie etwas gewesen. Nur Hermine zickt ein bisschen, aber mehr so der Form halber.
Und das ist womöglich das eigentliche Problem, unter dem der Film leidet: Sie haben ihm den Charme ausgetrieben und die Individualität. Nicht nur, weil Daniel Radcliffe seinen kindlichen Charme, seine Pubertätsniedlichkeit verloren hat und der junge Erwachsene eher hölzern und unbeholfen wirkt. Daniel Yates hat überdies, assistiert vom schlechten Drehbuch, nicht den geringsten Versuch unternommen, Individualität zu inszenieren, nicht einmal unter den drei Freunden, die hier so gesichts- wie geschichtslos erscheinen wie noch in keinem der bisherigen Filme: Sie erleben keine Geschichte, sie taumeln einfach von einer magischen Schlägerei in die nächste. Diese Action entwickelt sich nicht aus einer Situation, deren Höhe-und Endpunkt sie sein sollte: Sie ist die Situation.
Das Eigentlich Bezwingende der Bücher wie der Filme, war kaum der Kampf, die wachsende Bedrohung gab den Hintergrund, die Folie, die Motivation. Das Eigentliche dieser Geschichten ist ihr Charme, ihr Witz, ihr Figurenreichtum. Der Charme, eine Schul- und Schülergeschichte zu erleben, die beinahe ist wie alle diese Geschichten – nur, dass sie hier Zaubern lernen und dass die Besen fliegen. Dieser Teil ist der erste, in dem das wundersame Schulschloss Hogwarts nicht mitspielt – und das ist ein herber Verlust, dessen Bedeutung offenkundig nicht begriffen wurde. Denn so treiben sie der Geschichte alles aus, was ältere Leser und Zuschauer so magisch angezogen hat.
Dieser Film mag, mit all seiner Atmosphäre, geeignet sein, jüngeren Zuschauer den Grusel zu lehren. Die Unterhaltung, den Spaß, für die Harry Potter und seine Freunde weltweit, und mit Recht, gefeiert wurden, den liefert er nicht. Der einzige Grund dieses Filmes ist die Vorbereitung des großen Finales – und noch ein Rattern der Geldmaschine Potter, ehe sie stille steht. Und vielleicht hat es ja Konsequenz, dass eine so wunderhübsche Geschichte so traurig enden muss. Nichts war gut.
Einmal, da erzählt ein Mann das Märchen von den drei Brüdern und wir sehen diese Geschichte in einer filigranen Tricktechnik. Das sind die besten Sequenzen dieses Filmes.
Text: Henryk Goldberg
Bilder: Warner
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