Nach 23 Jahren geschieht es wieder: Ein Mädchen, ein Kind, wird ermordet. Wieder an jener Stelle im Kornfeld. Der Mord ist die Botschaft eines Mannes an einen anderen. Und der Film von Baran Bo Odar ist auch in sich eine Botschaft.
In diesem Film gibt es eine Szene, die, recht betrachtet, Mut erfordert. Mut, sie zu zeigen, Mut, sie zu verstehen. Ein Mann sieht einen Film, einen pornografischen Film um ein kindliches Mädchen. Der Mann, wir sehen es, kämpft gegen seine Faszination, er wehrt sich, wir sehen auch das, mit seinem Willen gegen seine Geilheit. Dann rennt er aus dem Zimmer, flüchtet vor dem eigenen Trieb, der eigenen Vergangenheit. Vor sich.
Pädophilie ist ein hoch sensibles Thema und sein vielleicht sensibelster Aspekt wurde selten so in einem massenwirksamen Medium vorgeführt: Die Neigung zur Pädophilie ist so wenig eine Wahl der Betroffenen wie Homosexualität, wie jede sexuelle Orientierung. Nur, dass von dem Pädophilen verlangt werden muss, was die Gesellschaft lange von Homosexuellen verlangte: Diesen Trieb zu unterdrücken, zu bekämpfen. Und die Akzeptanz von Pädophilie, ist anders als die der Homosexualität, keine Frage der künftigen gesellschaftlichen Entwicklung, sie kann und darf es nicht sein.
Wotan Wilke Möhring zeigt uns diesen Mann ohne jede Peinlichkeit – und dass das geht, ist eine Qualität dieses Filmes. Es ist das Langfilmdebüt des Schweizers Baran Bo Odar nach dem Roman von Jan Costin Wagner. Gewiss, Odar hat von allem etwas zu viel: zu viel schwebende Wolken und wogende Felder, zu viel Gegrummel auf der Tonspur und in den Seelen. Aber er hat vor allem eines: Talent. Dieser Regisseur hat mit seiner Fähigkeit zum atmosphärischen Erzählen, zum Stimulieren eines Ensembles auch eine Botschaft versandt: Wenn er dieses Talent zu sublimieren vermag, ohne an Substanz zu verlieren, dann wird von ihm noch zu hören sein.
Text: Henryk Goldberg
- Der Gespensterzug von Erfurt – Thügida-Anhänger marschieren - 17. April 2015
- No, bee populations are not declining - 12. März 2015
- Long Are University Credits Valid - 11. März 2015
29. August 2010 um 18:26 Uhr
Wie um Himmels willen kann man Pädophilie und Homosexualität im selben Satz und im selben Zusammenhang erwähnen? Als hätten die was miteinander zu tun!
Und wenn es schon um „Botschaften“ geht: Die Botschaft des Films (NICHT des Romans!!) ist aufgrund des im Vergleich zur literarischen Vorlage geänderten Endes mehr als zweifelhaft: Pädophile sind einsame, verzweifelte Menschen, denen unser Mitleid zu gelten hat. Sie leben allein oder bringen sich um. Sie leiden, weil sie böse Taten begehen müssen.
Ein großer Roman, leider ein in vielerlei Hinsicht misslungener Film mit einem bis zur Peinlichkeit überagierenden Sebasitan Blomberg, der nur mehr eine Karikatur der Romanfigur ist.