TRANSCENDENCE

Transcendence – Morgan Freeman, Cillian Murphy, Rebecca Hall (Foto: Tobis)

 

Genialität und Größenwahn

Der Science-Fiction-Blockbuster „Transcendence“ ist der erste Spielfilm, in dem Christopher Nolans ehemaliger Stammkameramann Wally Pfister Regie geführt hat. Entsprechend der Philosophie seines Mentors – Größenwahn ist Minimum – will das 100 Millionen-Dollar-Spektakel das nächste große Wurf seit Nolans „Inception“ sein. Dabei ist beiden Filmen gemein, dass sie trotz des gesteigerten Aufwands ihrem eigentlichen Thema nicht gerecht werden. „Inception“ zeigt ein Unterbewusstsein, das so banal und so mechanisch aussieht, wie die Kombination aus einem Toaster und aus einem Schweizer Uhrwerk. Wally Pfister und sein Drebuchautor (ebenfalls ein Debütant: Jack Paglen) gehen den von Nolan eingeschlagenen Weg konsequent weiter: Sie verstehen zwar nicht, was die eigentliche Frage ihres Films ist, geben aber trotzdem jede Menge Antworten…

Dr. Will Caster (Johnny Depp) ist der führende Wissenschaftler auf dem Gebiet der Erforschung der Künstlichen Intelligenz. Gemeinsam mit seiner Frau Evelyn (Rebecca Hall) hat er einen neuen Supercomputer entwickelt, der nicht nur über eine unglaubliche Rechenkapazität verfügt, sondern sogar menschliche Emotionen zeigt und selbstständig reflektieren kann. Das Projekt steht kurz vor der Vollendung, als eine terroristische Gruppe von Technikkritikern Anschläge auf diverse Forschungslabors und Wissenschaftler verübt. Auch Dr. Caster wird das Opfer eines Attentats. Zwar streift die auf ihn abgeschossene Kugel den Wissenschaftler nur. Trotzdem ist sein Tod bereits besiegelt, da das Geschoss radioaktiv verseucht ist. Dr. Caster bleiben nur noch wenige Wochen. In ihrer Verzweiflung verbindet Evelyn mit Hilfe von Wills Kollege Max Waters (Paul Bettany) das Gehirn ihres Mannes mit den Kernbausteinen des Supercomputers. Dr. Will Casters Hirninhalt wird komplett „hochgeladen“. Der geniale Forscher mutiert zu einem Überwesen, dessen Wissens- und Machthunger keine Grenzen kennen…

Science-Fiction war schon immer weniger eine Vision der Zukunft, als eine überspitzte Darstellung der Gegenwart. Das größte Abenteuer des 20. Jahrhunderts war die Erforschung des Weltalls. In dieser Zeit identifizierte man das Genre vorrangig mit Filmen über Flüge mit Raumschiffen wie in Stanley Kubricks Klassiker „2001 – Odyssee im Weltraum“ oder Andrei Tarkowskis „Solaris“. Letzterer bildet bereits eine Brücke zum 21. Jahrhundert, da Tarkowski explizit die Frage nach der Natur des menschlichen Bewusstseins stellt. Viele Wissenschaftler sind der Ansicht, dass das größte Abenteuer unseres Jahrhunderts in der Erforschung des menschlichen Gehirns und Bewusstseins liegt. Dabei kann bis heute niemand die philosophische Grundsatzfrage beantworten, wie Körper und Geist konkret zusammenhängen, sprich wie das Bewusstsein ins Hirn reinkommt. Das einzige, was die Forscher nachweisen können ist, dass bei bestimmten Denkprozessen bestimmte Hirnregionen aktiviert sind. In „Transcendence“ werden diese wichtigen Überlegungen auf die simple Frage reduziert, ob Dr. Will Casters Hirninhalt tatsächlich komplett hochgeladen wird oder ob dabei durch technische Unzulänglichkeiten nicht doch etwas verloren geht („das Gefühl“).

Damit sagt der Film von vornherein, dass das Bewusstsein eine rein materielle Angelegenheit ist. Er umgeht somit die eigentlich interessante philosophische Grundsatzfrage und reduziert sein Thema auf Fragen der Ethik und der technischen Machbarkeit. Hierbei läuft die Frontlinie entlang fortschrittsfeindlicher religiöser Fanatiker und gestriger Technik-Terroristen auf der einen Seite und genialen Forschern und revolutionären Erneuerern und Weltenrettern auf der anderen Seite. Wahlweise kann man jedoch mit gleichem Recht sagen, dass der Film den Kampf der noch mit der Natur und der Schöpfung verbundenen Menschen gegen größenwahnsinnige und machthungrige Wissenschaftler und Technokraten zeigt. Denn wenn es etwas gibt, dass an diesem Film tatsächlich bemerkenswert ist, dann seine absoluten Weigerung in den entscheidenden Punkten Farbe zu bekennen. Im Bestreben, dass sich diese 100-Millionen-Dollar-Investition möglichst schnell amortisiert, versucht der Blockbuster es wirklich jeder halbwegs relevanten Zielgruppe recht zu machen. Das Ergebnis ist ein Film, der alles und gar nichts sagt.

Geistig steckt „Transcendence“ tief in den 90ern. Die Handlung setzt dort an, wo 1992 der Sci-Fi-Trash „Der Rasenmähermann“ aufgehört hat. Dabei verpasst der ehemalige Kameramann Wally Pfister alleine der Optik ein zeitgemäßes Update. Inhaltlich ist „Transcendence“ absolut unausgegorener und extrem naiver Camp. Immerhin ist Johnny Depp passend als moderner Cyber-Frankenstein besetzt. Seine Rolle tritt in Resonanz mit denen aus Gothik-Horror-Werken wie Tim Burtons „Sleepy Hollow“ (1999) und „Edgar mit den Scherenhänden“ (1990). So transzendiert „Trancendence“ zumindest einige filmgeschichtliche Referenzpunkte. Denn trotz allem technischen Zauber und allem virtuellem Hokuspokus findet im Film gar keine Transzendenz im eigentlichen Sinne einer Selbstüberschreitung hin zu etwas Geistigen oder gar Göttlichem statt. Relevant ist „Transcendence“ alleine deshalb, da der Film unfreiwillig Zeugnis davon ablegt, zu was für einem kümmerlichen Gebilde die einst erhaben begriffene Transzendenz in einer rein materialistischen Welt degeneriert ist.

 

Gregor Torinus

 

Transcendence, von Wally Pfister (USA 2014)