Belphégor oder Das Geheimnis des Louvre (3 DVDs)
Während uns das Fernsehen, wie es ist, gelinde gesagt auf den kulturellen Nerv geht, wächst ein nostalgisches Vergnügen an alten Serien auf DVD. An ihnen kann man nicht nur sehen, wie die Zeit vergeht, sondern auch, dass das Fernsehen gar nicht so sein müsste wie es ist.
Zum Beispiel: „Belphégor“, eine vierteilige französische Serie aus dem Jahr 1965.
Die Eingangsmusik: Zuerst eine Trompete, die klingt wie eine Mischung aus einer rostigen Eisentür und Miles Davis, dann ein Trash-Stückchen, das einem deutschen Edgar Wallace-Film dieser Zeit entnommen sein könnte, und das wiederum geht zwanglos in einen Walse Musette über. Das stammt von Antoine Duhamel, der im Jahr darauf die Musik zu Jean-Luc Godards „Pierrot le Fou“ schrieb und viel für Truffaut und Tavernier arbeitete. Dazu Bilder, die noch gar nichts beweisen, die noch nicht „funktionieren“ müssen, Bilder des aufmerksamen Flanierens: Der Flohmarkt, und gleich dahinter die neuen Hochhäuser. Das alte Paris, das nicht so sehr pittoresk als vielmehr kaputt ist und schmutzig, und das neue, das nicht so sehr modern ist, sondern vor allem hässlich und leer. Und doch findet sich dazwischen reine Bild-Poesie. Die Kamera führte Jacques Lemare, der Renoirs „La regle du jeu“ und ein paar der schönsten Lemmy Caution- und andere Eddie Constantine-Filme fotografiert hat. Ein Weg vom Flohmarkt zum Louvre, auf den Spuren von Zola, Dumas, Feuillade und Tintin. Der Off-Kommentar (auch der lässt sich hier alle Zeit der Welt) bringt die Erzählstrategie auf den Punkt: „Die heutige Zeit braucht Träume ebenso wie Realitäten“.
Der plot ist so schnell erzählt wie vergessen: Eine geheimnisvolle Gestalt geht im Louvre um. Während der Kommissar Ménardier die Ermittlungen mit zähem Nachdruck leitet, macht sich der junge Journalist André Bellegarde auf eigene Suche und gerät dabei nicht nur in die übliche Verschwörung, sondern vor allem zwischen zwei Frauen, hell und vernünftig die Tochter des Kommissar, dunkel und verführerisch die andere Frau, Juliette Greco in ihrer ganzen (genau genommen doppelten) Juliette Greco-haftigkeit. Im Grunde aber besteht die ganze Serie vor allem aus Abschweifungen und leicht verrückten Einfällen: Ein alter Mann, der „Tatsachenberichte“ aus den Zeitungen („Froschregen in Borneo“) in Dosen einschließt, um sie über den unvermeidlichen Atomkrieg zu retten, die geheimnisvolle alte Dame, die dem Kommissar einmal durchs Haar fahren möchte, wie einem Lausbuben, ein Haus, das unter der Last seiner Ornamente versinkt…
Den Autor und Regisseur Claude Barma kennt man hierzulande kaum. Begonnen hat er als Regisseur in der Zeit, als Fernsehen noch vor allem Life-Spektakel war, neben dem ersten französischen Fernseh-Krimi, „Agence Nostradamus“ (1950) hat er auch „Die drei Musketiere“ als Life-Sendung eingerichtet. Da spielte, 1955, ein junger Schauspieler den D’Artagnan, der durch seine merkwürdigen Tempo-Wechsel auffiel: Jean-Paul Belmondo. Nach dem Straßenfeger „Belphégor“ verzeichnete Barma als Regisseur und Produzent mit „Les Enquêtes du commissaire Maigret“ seinen größten Erfolg, seit 1967 bis in die achtziger Jahre betreute er die Serie mit Jean Richard. Im Kino hat er kaum Spuren hinterlassen. Seine Idee vom Bildererzählen passte nicht in das enge Zeitkorsett, Barma braucht Raum für seine Abschweifungen, seine Charakterzeichnungen, seine Details, die daran erinnern, dass Fernsehen schon einmal drauf und dran war, eine eigene kinematografische Kunstform zu werden, dann allerdings… aber das ist eine andere Geschichte.
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