Patrick Swayze ist also das neue Sex-Symbol, der Mann der achtziger Jahre, Cover-Boy für eine Epoche, die mit sich selbst schon als boring eighties abgeschlossen hat. Der Kerl sieht wirklich ein bisschen schmutzig aus; seine Bewegungen sind schmutzig, seine Sprache ist schmutzig, seine Geschichten sind schmutzig. Vom strahlenden Grinsen eines Kino-Helden ist bei ihm (zumindest im Original) nur ein seltsames meckerndes Lachen geblieben, das ihn immerhin als einen mehr oder minder interessanten Neurotiker auszeichnen könnte, wenn seine KinoGeschichten nicht so bemüht wären, etwas ganz anderes zu erzählen. Patrick Swayze wäre früher wahrscheinlich ein begnadeter Heavy geworden, einer von der erdenschweren Sorte, der schwitzt, und dem man in jeder Bewegung neben der Lüsternheit auch die Anstrengung ansieht, einer, der mit einer gewissen Größe verliert und dem ein entsprechend großer Abgang gegönnt wird.
Swayze hat nach ein paar Nebenrollen, zum Beispiel in Coppolas THE OUTSIDERS, und dem Aufstieg zum Star im TV („Fackeln im Sturm“) seinen Kult-Status mit drei Filmen erlangt, die anscheinend unterschiedlicher nicht sein können, einem dirty Tanzfilm, auf den sein Ruhm zurückgeht, zumindest, was die Sache mit dem Sexsymbol anbelangt, einen, naja, eher staubigen Endzeitfilm, dessen Geschichte verdächtige Ähnlichkeit mit SHANE hat, und dem mehr oder weniger schmutzigen James-Dean-Nachfolger TIGER WARSAW, den man bei uns knallig DIRTY TIGER genannt hat.
Daß jemand, der genauso tanzt, wie er aussieht, erdenschwer, lüstern und angestrengt, das Prädikat des Sex-Symbols der achtziger Jahre bekommt (mag er sich persönlich in eher angestrengte Professionalität flüchten und eine geradezu nervtötend öffentlich inszenierte gute Ehe führen), sagt etwas aus über diese Zeit, erdenschwer, lüstern, und zur Hölle, Marlon Brando schwitzt auch, und Leichtigkeit war nicht sein Fach, aber er wollte die Ausnahme sein und nicht die Regel. Anders gesagt, Patrick Swayze will alles in einem sein, der Rebell und der Angepasste, Heavy und Hero, Stallone und Mickey Rourke, Teenie-Star und „ernst zu nehmender Schauspieler“; er verkörpert die neue Sauberkeit des Schmutzes. Nochmals anders, und nun mit den Worten Patrick Swayzes gesagt: „Wir können unser Leben leben, wie wir es uns wünschen, wenn wir nur stark genug daran glauben und hart genug daran arbeiten und uns nicht einfach zurückfallen lassen und nur davon träumen.“
So simpel – und vielleicht den wirklichen Möglichkeiten des Kinos ganz und gar entgegengesetzt – wie diese Botschaft sind auch die Geschichten der Swayze-Filme. DIRTY TIGER erzählt die Geschichte vom verlorenen Sohn, der von seiner Familie wieder aufgenommen wird, weil er sich ihr nach fünfzehn Jahren Abwesenheit beharrlich und systematisch wieder aufdrängt.
Chuck „Tiger“ Warsaw hätte in seiner Jugend beinahe ein blutiges Familiendrama heraufbeschworen. In einem Streit mit dem Vater hat er ein Gewehr ergriffen, und es hat sich ein Schuss gelöst. Die Familie, Einwanderer aus Polen, verlor daraufhin die sozialen Beziehungen; der Verlobte von Chucks Schwester Paula löste die Verbindung mit einer „solchen“ Familie, der Vater leidet seit jenem Tag an den Folgen eines Traumas.
Nun ist Tiger also zurück in dieser Kleinstadt, die uns der Regisseur glaubhaft macht als wundervollen Ort – zum Durchfahren. Mit seiner Mutter hat er schnell wieder Kontakt gefunden, aber sie warnt ihn davor, sich seiner Schwester und dem Vater zu zeigen. Paula ist drauf und dran, wieder zu heiraten, und fühlt sich von ihrem Bruder so sehr bedroht, daß auch sie zur Gewalt bereit ist. Der Vater hört zufällig, wie es in so einer amerikanischen Kleinstadt der Fall zu sein pflegt, von der Ankunft seines Sohnes. Er kauft sich ein Gewehr und Munition. Daß es nach ein paar dramatischen Szenen doch noch ein Happy-End gibt, hängt ausschließlich damit zusammen, dass es ein Happy-End geben muss.
Soviel zu Erdenschwere und Angestrengtheit. Für die Lüsternheit ist die Wiederbegegnung mit der früheren Freundin zuständig, inzwischen geschiedene Mutter zweier Kinder. Hier kann ja nur alles besser werden.
Patrick Swayze ist kein schlechter Schauspieler, Piper Laurie (in der Rolle seiner Mutter) wiederzusehen ist immer ein bisschen Zeit wert, und Amin Q. Chaudhri hat ein paar altmodische, dunkle Bilder mit Sinn für provinzielle Details gefunden. Aber selbst in diesem ziemlich kleinen Film hat man das Gefühl, dem Zelluloid-Äquivalent eines Schwammes zuzusehen, der über alte Bilder fährt und den Staub darauf zu einer schmutzigen Brühe macht.
Patrick Swayze ist das Sex-Symbol der ausgehenden achtziger Jahre vermutlich auch, weil er die Reste aller Rebellen-Images aufgesogen und zu einer Raffaelisierung der Anpassung gebracht hat. Einen besseren haben wir gar nicht verdient.
Autor: Georg Seeßlen
Text veröffentlicht in epd Film 6/88
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