Widerstand und Werbung 

„¡No!“ erzählt vom Ende der Pinochet-Diktatur durch eine Medien-Kampagne

Chile im Jahr 1988. 16 Jahre hat Pinochet das Land terrorisiert, eine ganze Generation ist mit Folter, Mord und Vertreibung in die Jahre gekommen, aber auch mit den Segnungen eines rücksichtslosen, modellhaft neoliberalen und medienverbrämten Kapitalismus, der einem neuen Mittelstand Autos, Häuser und gefüllte Kühlschränke bescherte. Zu diesen Nutznießern gehört der Werbedesigner René Saavedra, dargestellt von Gael García Bernal. Er hilft, absurde Soap Operas ebenso zu verkaufen wie ein Cola-Getränk namens „Free“, und jedesmal macht er seine Arbeit den Auftraggebern mit den selben hohlen Worten von „sozialem Kontext“ und Chiles Zukunft schmackhaft. Irgendwann war das vielleicht anders; Renés Vater war ein Gegner der Diktatur, seine Frau hat ihn wegen seines Opportunismus verlassen, Freunde von einst werden von ihm halbherzig verleugnet. Einer von ihnen tritt mit einem besonderen Anliegen an ihn: Unter internationalem Druck hat Pinochet in ein Referendum eingewilligt, das darüber entscheiden soll, ob er weitere 8 Jahre im Amt bleibt oder Gegenkandidaten bei einer Wahl akzeptieren muss. 15 Minuten billigt er der in sich zerstrittenen Opposition an TV-Sendezeit zu. Und René soll sie mit der Kampagne für das „No!“ füllen. Das macht er schließlich mit all seinem professionellen Wissen, indem er statt politischer Wahrheit und Anklage Glücks- und Tanzbilder, Jingles und ein Markenzeichen (den Regenbogen) und ein neues Lebensgefühl, „Alegría“ etabliert.  Was dabei auf der Strecke bleibt, ist die historische Wahrheit, die Erinnerung an das Unrecht, das politische Bewusstsein. „Das verkauft sich nicht“, sagt er, und das heißt an die Stelle der Bilder vom Terror, an die Stelle der Mütter und Frauen, die ihre verschwundenen Männer beklagen, an die Stelle der Zahlen von Toten und Gefangenen treten Tanz-Einlagen, lachende Gesichter, Kinderglück. René verkauft den Wandel, so und so…

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filmkritiken 2010-13-300Georg Seeßlen: Filmkritiken 2010 – 2013
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Mit Leidenschaft für den Film und mit Liebe zum Kino

52 Filmkritiken, geschrieben und veröffentlicht in den Jahren 2010 bis 2013, bieten Einblicke und Ansichten, vermitteln Zusammenhänge und Perspektiven.
Das Thema der Filmkritik ist das Filmesehen. Und Filmesehen ist eine Kunst. Und Georg Seeßlen versteht davon eine ganze Menge. Seine kompetente Übersetzung des audiovisuellen Mediums Film in Sprache ist tiefgründig, vielschichtig und bezieht aktuelle gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen mit ein.
Gehen Sie mit Georg Seeßlen auf eine Reise in die Filmgeschichte. Eine Reise in Zeit und Raum.