VERBOTETE FILME_680

Nazi-Filme für alle!

Ja, richtig, die Vorführung von Filmen wie JUD SÜSS (1940) war 1945 von den Besatzungsmächten verboten worden. Wenige Jahre später war damit Schluss. Die Filmarchive behalten sich jedoch bis auf den heutigen Tag vor, an wen und für welchen Zweck im Einzelfall eine pädagogisch begleitete Vorführung stattfinden kann. Damit soll jetzt aber auch Schluss sein? Nazi-Filme für alle? Der Film VERBOTENE FILME favorisiert die neue  Freiheit, von der die Co-Produzenten, RBB und HR, ja nur profitieren können.

JUD SÜSS-Regisseur Veit Harlan war bereits vor sechs Jahren in Felix Moellers Dokumentarfilm HARLAN – IM SCHATTEN VON JUD SÜSS nicht schlecht weggekommen. In der neuen Produktion VERBOTENE FILME strahlen sie jetzt im neuen Licht, die alten Nazi-Filme. Alt? Ach was! Die zahlreichen Filmausschnitte und -sequenzen kommen frisch abgetastet (Blueprint) geschichtslos auf Monitor und Leinwand. Hallo, hinsehen! Alles voll designed, gestylt, Werbeästhetik von heute! Die Filmförderungsanstalten machten’s möglich.

Und nun zum Inhalt. Der Film bemüht sich, Meinung und Gegenmeinung zur unbeschränkten Vorführung der Filme zu Wort kommen zu lassen. Worte gegen die Welt der bunten Bilder. Er befragt Angehörige der Ufa-Stars. Besucher von JUD SÜSS sagen ihre Meinung; volle Säle in Paris (Sorbonne) und in Jerusalem (Yad Washem), auch in deutschen Filmmuseen (München, Berlin).

Die Befürworter scheinen in der Mehrheit zu sein. Regisseur Oskar Roehler (JUD SÜSS – FILM OHNE GEWISSEN, 2010)  begleitet jetzt VERBOTENE FILME mit vorsichtigen Statements: „Wissen vorenthalten -, weiß nicht, ob es so schlau ist“. Damit ist in der Tat die Frage aufgeworfen, ob es nicht schlauer ist, statt etwas zu verbieten, die Medienkompetenz zu stärken – grade bei jungen Leuten. Die FSK, die Filme für Jugendliche freigibt oder nicht, hat reiche Erfahrung gesammelt mit den Gewaltfilmen aus den USA. Ich komme ins Nachdenken. Wie wär’s mit Nazifilm-Kompetenz? Christiane von Wahlert von der FSK sagt, ja, falls die Orientierungsphase junger Zuschauer abgeschlossen sei. Naja. Moellers Film gibt Anlass, die Frage nach der Kompetenz des Zuschauers neu zu stellen. Ist jedem Erwachsenen klar, wie manipulativ die Mittel sind, die Filme einsetzen – damals in der Goebbels-Zeit, heute in der Marketing-Zeit?

Dietrich Kuhlbrodt,  KONKRET 3/2014

Bilder: Salzgeber