Frauen mögen dich nicht, sagt die Frau am Anfang zu Mark Zuckerberg, und zwar nicht weil du ein Nerd, sondern weil du ein Arschloch bist. Du bist kein Arschloch, sagt eine andere Frau am Ende zu Mark Zuckerberg, du kommst nur so rüber.
Zwischen diesen beiden divergierenden Persönlichkeitsprofilen erstreckt sich die Geschichte, die David Finchers Film The Social Network erzählt: Es ist, unverhüllt, die Geschichte von Mark Zuckerberg, Gründer von Facebook, dem derzeit führenden Portal unter den sozialen Netzwerken. Unerheblich ist, was wir für „die wahre Geschichte“ halten; ob Zuckerberg und Facebook gegen den Film vorgegangen sind; was Fincher, das Spiegelkabinettsmitglied der Illusionsfraktion Hollywood (Sieben, The Game, Fight Club) getrieben haben mag, ein relativ schlichtes Biopic zu drehen, bei dem die Wirkmächtigkeit der filmischen Narration nie bezweifelt wird.
Über jeden Zweifel erhaben scheint zu sein: Zuckerberg ist kein sympathischer Protagonist. Jesse Eisenberg spielt ihn mit einem aufreizend ignorant-lethargischen Unterkiefer, der emotionale Kälte illustriert – in der schnell geschnittenen Eingangsszene wirken Zuckerberg und seine Freundin Erica (Rooney Mara) an zwei Gesprächssträngen gleichzeitig, die vom Willen zum Erfolg, dem Streben nach Exklusivität sowie dem Status beider Beziehung handeln. Am Ende wissen wir, dass der Student in einen der begehrten Clubs in Harvard will. Und dass Erica die Beziehung beendet hat.
Aus der Kränkung entsteht, in zweifacher Hinsicht, Facebook: Zum einen will Zuckerberg es allen beweisen, zum anderen Erica heimzahlen. Also bastelt er noch in der Nacht eine Betaversion von Facebook, um die Geliebte netzöffentlich zu denunzieren. Das ist der Ursprung eines unternehmerischen Mythos‘, der als Erfolgsgeschichte terminiert: Mehr als 500 Millionen Leute in 207 Ländern nutzen Facebook, das 25 Milliarden Dollar wert sein soll und einen 26-Jährigen zum jüngsten Milliardär gemacht hat, wie der Abspann informiert.
Die Zahlenhuberei deutet auf das Wesen von The Social Network: Der Film ist eine Art kapitalistischer Porno, dem es an Weisheiten für ökonomischen Erfolg nicht mangelt. „So läuft das in der Oberliga“, „Entschuldige dich nie für eine Niederlage“, „Schluck die bittere Pille mit der bunten“ – so geht es zwei Stunden lang, an deren Ende der Protagonist in Sachen Moral reingewaschen ist, weil er angekommen ist im Establishment. Die Bösen sind dann die anderen, wie der etwas zu lebensfreudige Napster-Gründer Sean Parker (den, ironische Besetzung, Popstar Justin Timberlake spielt).
Dass der Weg nach oben über größere und kleine Schweinereien führt – im Zentrum des Films stehen zwei Gerichtsverhandlungen, über Gründer-Rausschmiss und Ideen-Klau bei Old-School-Oberklasse-Harvard Boys –, ist keine Ausnahme, sondern die Regel. Das System, in dem wir leben, wird in Gang gehalten von kriminellen Handlungen, die der Erfolg nachträglich legitimiert. Insofern müssen wir uns eine Welt, in der schlecht erzogene Kinder in Kapuzenpullis und Badeschlappen (erwachsen scheint hier lediglich das Ordnungspersonal zu sein) ihren Weg machen, nicht als Alptraum vorstellen. Sondern als Realität.
Text: Matthias Dell
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