Helke Misselwitz, eine der wichtigsten FilmemacherInnen der letzten DEFA Generation, bringt uns in „Die Frau des Dichters“ nicht nur die Malerin Güler Yücel nahe, sondern auch Datca, einen paradiesischen Ort im Mittelmeer. Auf dieser Halbinsel am äußersten Zipfel der Ägäis wohnte und arbeitete bis kurz vor ihrem Tod Güler Yücel (1935-2020), die Gattin des in der Türkei bekannten Lyrikers Can Yücel.

Knallrote Wunderblumengewächse, urige Steinküsten, Olivenhaine, Mandelblüten und herrliche Wochenmärkte – ein unversehrt wirkendes Stückchen Erde scheint dies zu sein. Doch die langen Einstellungen sollen nicht nur die Schönheit dieser Landschaft festhalten, sondern eine direkte Verbindung zu den Gemälden der Künstlerin herstellen. Da Güler Yücel ausschließlich figurativ und episodisch malte, ist dies eine charmante Grundidee. Die Kamera greift ein Motiv aus den Gemälden auf, wie beispielsweise eine gemalte Hochzeitsszene, und „übersetzt“ dies dann ins klassisch-dokumentarisch Gefilmte.

„Ich kann nichts malen, was ich nicht gesehen habe“, erklärt die Malerin, die in bunt wallenden Gewändern wie eine Priesterin aus der Antike durch ihren Garten flaniert und immer wieder ihre faszinierenden Leporellos in die Kamera hält. Wie asiatische Rollbilder sind sie eigentlich schon fast selbst Film. Die Fülle an Szenen, Figuren, Tieren, Landschaften ist so groß, dass man kaum weiß, wohin man erst schauen soll. Es sind poetische, in klaren Farben gehaltene Szenen, die an Marc Chagall erinnern. Das ländliche Leben, die Mandelblüte, Olivenernte, Szenen aus ihrem eigenen Leben und immer wieder ihren Ehemann, den Dichter, gilt es zu entdecken. Und so wie in Marc Chagalls Bildern Kühe auftauchen, so wimmelt es in den Leporellos von Güler Yücel von rot gehörnten Ziegen. Mit diesen Tieren habe sie sich immer identifiziert. Sie seien unerschrocken, mutig, erklärt die Künstlerin, und an anderer Stelle ist zu hören, es sei immer die weibliche Ziege, die die Herde anführt.

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Dass die Frauen auf Datca angeblich das Sagen haben, dies zieht sich thematisch wie ein roter Faden durch den Film. Denn neben Güler Yücel lässt Helke Misselwitz auch andere Insel-Bewohnerinnen zu Wort bzw. stumm ins Bild kommen. Denn es gibt auch noch die unbeweglich und schweigend aufgenommenen Frauen und Mädchen. Fast wirken diese Einstellungen wie abgefilmte Fotografien. Nur der Ton, das Rauschen der Blätter oder leise Hintergrundgeräusche deuten darauf hin, dass eine Film-Kamera lief. Schön sind auch diese Bilder. Sie erinnern an die Fotografien der niederländischen Künstlerin Rineke Dijkstra. Nur leider eröffnen sie eine weitere gestalterische Ebene, die unerklärt bleibt.

Was ist das nun für ein Film? Die unkonventionelle Melange an Stilen, Ideen und Themen irritiert. Ein bisschen wirkt das Ganze so, als hätte man nach seiner vermutlich langen und sicherlich stellenweise mühsamen Entstehungszeit nicht recht gewusst, was aus dem ganzen Material werden soll. Eine Traumreise in ein Insel-Paradies, eine kleine Matriarchatsstudie, eine Etüde über das Bildermachen und -sehen oder eine Hommage an Güler Yücel?


Daniele Kloock

 

Bild ganz oben: Plakat Die Frau des Dichters | © missingFILMs


Die Frau des Dichters | D 2021 | 94 min. | Deutsch/Türkisch mit Untertiteln | FSK: 0