Abschied nehmen – ein Film über das Sterben |
Lachen, weinen, viel schlafen, manches erinnern und dabei für immer Abschied nehmen, darum geht es in „Zum Tod meiner Mutter“. Ein langsames, sorgsames Beobachten ist dieser Film, der das 14-tägige Sterben einer älteren Frau in einem Hospiz begleitet. Nach vorangegangener schwerer Krankheit möchte sie ihrem Leben ein Ende machen. Kein Essen und kein Trinken mehr. Doch sie ist nicht allein. Ihre Lieblingstochter Juliane wird sie bis zum letzten Atemzug begleiten. Wer jetzt erwartet, dass es sich hier um einen (semi)-dokumentarischen Sterbehilfe-Film handelt, liegt falsch. Sehr offen, fast schwebend artifiziell, beschäftigt sich dieser Film, sensibel und klug, mit dem endgültigen Abschiednehmen, ein Kunststück, ein Kunstwerk.
„Zum Tod meiner Mutter“ ist der zweite Film von Jessica Krummacher. Bereits „Totem“, ihr erster Langfilm, der 2012 in Cannes lief, behandelte ein komplexes Thema. Hier ging es um den Selbstmord einer osteuropäischen Haushaltshilfe in einer deutschen Familie. Sprachlosigkeit, seltsame Rituale, die ganzen Merkwürdigkeiten von latent vorhandenen Gewalt- und Machtverhältnissen wurden in dem Film verdichtet vorgeführt. Dagegen hat „Zum Tod meiner Mutter“, der auf der diesjährigen Berlinale zu einem der beeindruckendsten Filme gehörte, einen sehr zärtlichen, vorsichtigen Grundton. „Der Tod gehöre für sie zum Leben, spätestens seit sie selbst ihre schwer kranke Mutter beim Sterben begleitet hat“, erklärt die Regisseurin. Diese hatte im Alter von nur 64 Jahren entschieden, die Nahrungsaufnahme einzustellen. Doch der Film ist keine therapeutische Aufarbeitung der eigenen Erfahrung. Eher beobachtet man als Zuschauer das Geschehen fast so, als wäre man dabei bei dem, was sich in dem Zimmer, in diesem Hospiz und bei den beteiligten Personen verändert, zuspitzt. Wie banal auf einmal alle Gespräche klingen und überhaupt, was und wie redet man am Bett eines Menschen, der bald nicht mehr sein wird?
Jessica Krummacher wagt viel. Sie zeigt die Tochter bei allen möglichen Varianten des Sich-Stellens angesichts dieser Ungeheuerlichkeit: kleine Fluchten in die Natur, in die Literatur, in den Alkohol. Erleichternd wirken dabei die stilistisch überraschenden Brüche. Da fängt eine Krankenschwester an zu tanzen, eine Pflegerin spielt Klavier, und Juliane rezitiert aus Brechts Tagebüchern. Zuweilen wird es auch makaber, komisch. „Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen“, sagt ein Kellner in einem Lokal, wo einst Helmut Kohl saß. Hier isst Juliane mit Freunden den berühmten Saumagen, kurz nachdem die Mutter Essen und Trinken verweigert hat. Irgendwann wünschen sich aber alle – auch wir Zuschauenden –, dass es vorbei sein möge.
Daniela Kloock
Bild: © Grandfilm
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