„Bitte langsam, bitte langsam, ich bin Ausländer und spreche nicht gut deutsch!“ Darío Aguirre, Maler, Performance-Künstler und Filmemacher aus Ecuador hat aus diesem Satz einen rapartigen Song gemacht. Es ist nicht sein einziger, aber ein ausgesprochen witziger Einfall um das zu verarbeiten, was seit über 15 Jahren sein Leben hierzulande bestimmt: unzählige Anträge, Papiere, Nachweise, Behördengänge, und immer wieder dieselben Fragen und Antworten.
Der Film „Im Land meiner Kinder“ ist eine Erinnerungsarbeit. Er dokumentiert die Odyssee des Regisseurs durch die deutsche Bürokratie. Vier abgelaufene Pässe, zehn verschiedene Visa, ein Berg voller Formulare, Papiere, Genehmigungen und Einschränkungen vordeutlichen, was es bedeutet als sogenannter Ausländer in Deutschland ein Leben beginnen zu wollen. Glücklicherweise mündet für Darío dieser ganze Ämter-Horror letztendlich in der Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft. Kein geringerer als Olaf Scholz hatte als Bürgermeister von Hamburg 2011-2014 eine große Einbürgerungsoffensive gestartet und über 120 000 Noch-Ausländer angeschrieben. Und er war einer von ihnen. Der Film hält sowohl den Moment fest, als er diesen offiziellen Brief bekommt, wie auch die später stattfindende feierliche Beurkundung im Hamburger Rathaus. Damit ist Darío Aguirre nun endlich Deutscher Staatsbürger. Wie sich dies für ihn und seine Familie im folgenden anfühlt, und welche neuen damit verbundene Fragen und Unsicherheiten auftauchen wird in vielen Gesprächen deutlich. Auch ist es für den 14 000 km entfernten Vater des Regisseurs vollkommen unverständlich, wie man für nur 250 Euro Deutscher werden kann.
Anfang der 2000er Jahre hatte Darío seine Heimat der Liebe wegen verlassen. Stephanie lebte damals noch bei ihren Eltern in Zittau, und Dario mußte nicht nur deutsch lernen, sondern auch all die Umgangsformen, die nicht nur einen bürgerlichen Haushalt hierzulande charakterisieren. So zum Beispiel das „Schuhe-Ausziehen“ vor der Haustüre – ein Motiv welches mehrfach im Film, auch künstlerisch witzig verfremdet, auftaucht.
„Im Land meiner Kinder“ ist bereits der zweite größere Film des Regisseurs. Bereits in „Five Ways to Darío“ (2010) beschäftigten ihn die Fragen, was eigentlich eine Identität ausmacht, worüber sie sich herstellt, und was Selbst- und Fremdwahrnehmung bedeuten? Beide Filme kennzeichnet ein sensibler, sehr eigenwilliger Grundton. Ohne Polemik oder Kritik, und vor allem ohne erzieherischen Impetus – welcher so viele deutsche Filme vorrangig charakterisiert – nähert sich Darío Aguirre diesen existentiellen Fragen. Spürbar, und vor allem unmittelbar nachvollziehbar, ist das fast kindliche Staunen über so manche kulturelle Absurdität, über die „man“ sich normalerweise keine Gedanken macht.
Was bedeutet eigentlich Integration? Sowohl für diejenigen, die aus anderen Ländern kommen, als auch für diejenigen, die schon immer hier waren. „Integration ist Anpassung“ sagt eine Freundin, die auch aus Ecuador kommt. Mit ihr führt der Regisseur, der diesem Statement widerspricht, mehrere ausführliche Gespräche. Auch sein Vater und Stephanie, mittlerweile seine Frau und Mutter zweier gemeinsamer Kinder, äußern sich hierzu. Auch die Schwiegereltern kommen zu Wort, für die Darío anfangs alles andere als ein Wunschkandidat war. Jeder erzählt auf seine Weise die Erfahrung von Fremdheit und von langsamer gegenseitiger Annäherung.
Für Darío heißt Integration Aussöhnung. Mit dem, was im Laufe der Zeit verlorengeht und was neu hinzukommt. So ist „Im Land meiner Kinder“ eine gleichermaßen intime wie kluge Annäherung an ein komplexes Thema. Ein vorsichtiger, sensibler und rundum sympathischer Film.
Daniela Kloock
Bild ganz oben: Peripher Filmverleih
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