Buoyancy (Regie: Rodd Rathjen)

Wieder ist es das überzeugende Spiel eines Laiendarstellers, welches den Film trägt. Cahkra ist erst 14 Jahre alt und arbeitet schwer auf den Reisfeldern in Kambodscha. Um den Konflikten mit seinem Vater zu entgehen, haut er von zu hause ab und versucht in einer Fabrik einen Job zu finden. Doch er gerät in die Fänge von Menschenhändlern und wird als Arbeitssklave auf einen thailändischen Fischkutter verkauft. Hier herrschen Grausamkeit und Folter. Sogar Morde sind an der Tagesordnung. Das Langfilmdebut des australischen Regisseurs Rodd Rathjen schildert eindrucksvoll die Situation von Zwangsarbeitern in der Hochseefischerei.

In diesem Zusammenhang sei auf einen weiteren Film verwiesen, der sich mit derselben Thematik befasst. „Ghost Fleet“ (USA 2018) läuft im Rahmen des sogenannten kulinarischen Kinos und ist ein Film der US-amerikanischen Journalistin und Filmemacherin Shannon Service. Wenn wir unsere Krabben, unser Sushi, unsere Meeresfrüchte essen, denken wir keine Sekunde daran, wie all das auf unsere Teller kam. „Ghost Fleet“ zeigt wie Männer aus Kambodscha, Laos und Myanmar oft jahrelang auf Fischkuttern leben und arbeiten, wie Gefangene in längst vergangenen Jahrhunderten. Thailand hat die größte Fischfangflotte und ist einer der größten Exporteure für Meeresfrüchte, der Bedarf an „Besatzungsmitglieder“, die bereit sind tausende von Kilometern zu fahren, ist folglich groß. Doch diese Menschen haben keinerlei Rechte, und wenn diese Menschen verschwinden, merkt das niemand. Der Film begleitet eine kleine Gruppe von Aktivisten, die versucht die versklavten Fischer zu befreien.

Beide Filme entlassen uns nachdenklich. Die Frage ist nur, ob unsere Konsumgewohnheiten durch solche Filme verändert werden können? A

Daniela Kloock

Bild ganz oben: Buoyancy | © Rafael Winer

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Die Grube (Regie: Hristiana Raykova)

Ein malerisch am Meer gelegenes Thermalbecken, von den Einheimischen treffend „Die Grube“ genannt, soll privatisiert werden. Wiewohl es am sogenannten Goldstrand in Bulgarien liegt, ist es nicht mehr als ein in die Jahre gekommenes Betonbecken mit selbstgebastelten Duschen und null Komfort. Aber es ist der liebgewonnene Treffpunkt der Rentner und nachts der Stricherszene.

Die Grube | © Johannes Greisle : Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF

Die Regisseurin stellt vier Stammbesucher vor, die sich mehr schlecht als recht durchs Leben schlagen. Da sind Dimtscho der Taxifahrer, der immer wieder aufs neue von Frauen enttäuscht wird und Alexander, der Musiker, der ab und zu ein paar traurige Lieder zum besten gibt und versucht mit der Vermietung von Zimmern seine spärliche Rente aufzustocken. Genadi kommt aus Sibirien und betreibt einen Streichelzoo, und der obdachlose Bobi verdient sein Geld nachts auf dem Strich. Die vier Lebensgeschichten werden lose miteinander verknüpft, dazwischen geschnitten sind die Szenen, in denen die Männer ihren Widerstand gegen die Schließung des Bades organisieren. Unterschriften werden gesammelt, Demonstrationen vor dem Rathaus finden statt. Diese Aktionen wirken gleichermaßen rührend wie aussichtslos. Genadi wird am Ende des Films die Genehmigung für den Zoo entzogen, und er kehrt in seine Heimat zurück. Was mit den anderen passiert bleibt offen. Der mit dem RBB co-produzierte Film soll ein kluges Portrait der bulgarischen Gegenwart sein. Dafür hätte es dann aber doch mehr gebraucht als aneinandergereihte Interviews und viel dampfendes Wasser.

Daniela Kloock

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Olanda (Regie: Bernd Schoch)

Sternenhimmel über den rumänischen Karpaten, immer wieder viel, viel Dunkelheit und die Stimmen derjenigen, um die es in diesem Film gehen soll: Männer und Frauen, bepackt mit Rucksäcken und Plastikbehältnissen, auf der Suche nach Steinpilzen und Blaubeeren. Sie durchkämmen wochen- gar monatelang unwegsames, gefährliches Gelände. Bei Regen und Kälte. Sie leben in primitiven temporären Zeltlagern, ernähren sich von kaltem Kaffee, Unmengen von Zigaretten und innigen Gebeten. Ihr Lohn ist Verhandlungssache. Zwischenhändler kaufen ihnen das Gesammelte für lächerlich wenig Geld ab. Normal sind 20 Euro für 5 Kilo Pilze.

Leider – und das ist wirklich ein großes „leider“ – hat sich dieser 154 Minuten dauernde Film zu viel vorgenommen. Er will dokumentieren wie Menschen an den Rändern Europas überleben, und er will auf einer abstrakteren Ebene ebenso philosophisch wie psychodelisch sein. Aus dem Off spricht eine weibliche Stimme einen Text (André Siegers) in dem es um vieles, aber auch um Pilze geht. Denn diese duftenden Gewächse sind nicht nur profanes Wirtschaftsgut, sondern auch Rauschmittel von Alters her, Gift, Arznei und Nahrung. Auch von ihrer biologischen Struktur sind sie etwas ganz Besonderes. Ihre unterirdischen Geflechte bleiben für uns unsichtbar. Dieses geheimnisvoll Wuchernde, psychodelisch Verästelte, versucht der Regisseur in der Struktur seines Films zu spiegeln. Hierfür verwendet er den philosophisch wie auch botanisch konnotierten Begriff „Rhizom“. „Olanda“ soll also im wahrsten Sinne des Wortes ein tief-sinniger Film sein, der uns gleichzeitig eine sinnlich physische Erfahrungsübertragung ermöglichen soll. Nur, dafür braucht es Bildideen und eine künstlerische Tonspur. Minutenlange undurchdringliche Dunkelheit, dann und wann ein paar Lichter, knackende Äste, und eine Kamera, die nicht viel mehr macht, als den Pilzsammlern permanent dicht auf den Fersen zu sein, das reicht nicht. So bleibt der angekündigte audiovisuelle Pilz-Trip in die magische Welt dieser Wälder ein unerfülltes Versprechen. Das Filmplakat allerdings und die Schwarzweissfotografien zum Film sind toll.

Daniela Kloock

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Querencia (Regie:Helvécio Marins Jr.)

Auch im semi-dokumentarischen Film „Querencia“ geht es um das einfache Leben in einer der entlegensten Ecken der Welt. Weite Teile der erzählten Geschichte beruhen auf wahren Begebenheiten, die Darsteller sind alle aus der Region und spielen sich selbst -– Cowboys in der brasilianischen Pampa. Der Regisseur filmt ihren Alltag, was sie essen und trinken, welche Musik sie hören, wie bescheiden sie wohnen, vor allem jedoch zeigt er, wie innig ihr Verhältnis zu den Tieren ist, und wie sehr sie mit der Natur verbunden sind. Die Kamera von Arauco Hernandez dokumentiert dies eindrücklich. Und auch in diesem Film ist viel Dunkelheit. Diesmal jedoch von Bedeutung.

Denn es war nachts, als man Marcelo, der Hauptfigur des Films, bei einem brutalen Überfall über hundert Rinder gestohlen hat. Immer wieder erinnert er sich an dieses furchtbare Ereignis. Er wird depressiv und hängt seinen Job an den Nagel. Doch er hat gute Freunde und eine große Leidenschaft. Er organisiert Rodeo-Shows und moderiert sie mit eigenen Gedichten, rappartigen Ansagen, die eine Hommage an die Cowboy-Kultur sind, aber auch das politische System Brasiliens kritisieren. Marcelos Humor und seine Energie begeistern das Publikum. Er lebt wieder auf.

Querencia (Homing) | © Sabrina Maniscalco

Der Film zeigt das ländliche Leben Brasiliens und Menschen, welche normalerweise in den Medien nicht vorkommen. Brasilianische Filme spielen in den Hauptstädten und beschäftigen sich vorzugsweise mit den Problemen der Großstädter, so der Regisseur in einem Interview. Außerdem war es Helvécio Marins Jr. wichtig eine Figur in den Mittelpunkt der Geschichte zu stellen, die sich durch Menschlichkeit und Charakterstärke auszeichnet. Auch in diesem Film findet der Regisseur wieder Laiendarsteller mit großer Ausstrahlung und Leinwandpräsenz. Und er schafft es, diese in seine Filmideen einzubinden. Wie Marins Jr. Dokumentarisches mit fiktiven Elementen verknüpft ist gleichermaßen ungewöhnlich wie kunstfertig. Er setzt damit stilistisch einen Weg fort, den er mit seinem vielbeachteten ersten Langfilm „Girimunho“ (Der Wirbel) (2011) bereits beschritten hat. B

Daniela Kloock