Jetzt also Tom Cruise als Jack Reacher. Es war ja etwas Zeit, sich mit dieser Schnapsidee anzufreunden. Lee Child, der Erfinder des ehemaligen Militärpolizisten Jack Reacher, gab seinen Segen dazu und hat nun als Desk Sergeant einen Mini-Auftritt in dem Film. Selbst aus dem Fernsehproduktionsgeschäft stammend, bestand Lee Childs Verteidigungslinie für diese erste, sich über Jahre hinziehende Hollywood-Umsetzung seiner seit 1997 laufenden Thrillerserie cheap cymbalta aus dem Satz: „Es kommt nicht auf die Körpergröße an, sondern auf die Haltung.“ Da nun tut Tom Cruise, der den Film auch produziert hat, sein wirklich very best. So markig und entschlossen, scharf und intensiv und zugleich manchmal sonderbar relaxt hat man ihn noch nicht gesehen, wobei seine Opponenten, von Werner Herzog als gulag-gestähltem Bösewicht mal abgesehen, eher Durchschnittstypen sind, gegen die sich schwerlich Profil entwickeln lässt.

Jack Reacher“ beruht auf Lee Childs neuntem Roman „One Shot“ von 2005, in Deutschland unter dem Titel „Sniper“erschienen. Mit einer beklemmenden Sequenz, der in Amerika fast Alltag gewordenen Allmachtsphantasie eines Schützen, der sein Fadenkreuz über harmlose Passanten, über Frauen und Kinder wandern lässt, beginnt der Film. Und dann wird geschossen … Kein Wunder, dass Paramount die Premierenfeier wenige Tage nach dem Schulmassaker von Newtown/Connecticut mit 28 Toten, darunter 20 Schulkindern, lieber ausfallen ließ. Das Finale übrigens wird von Tom Cruise mit einem jener Sturmgewehre bestritten, die in jedem Waffenladen käuflich sind und deren Verkauf nun ein wenig eingeschränkt werden soll. Die National Rifle Association (NRA) übrigens reagierte auf das Newtown-Massaker mit der Forderung nach bewaffneten Wachleuten vor jeder Schule – auf wessen Kosten eigentlich und zu welchem Behufe? – und wirft Präsident Obama „elitäre Scheinheiligkeit“ vor, weil der seine Kinder ja auch von bewaffneten Sicherheitsleuten beschützen lasse. Eine Logik zwar aus dem Tollhaus, aber ganz und gar amerikanisch.

Besinnung auf Reacher, den Ermittler

Jetzt also Tom Cruise. Der schnell ermittelte Scharfschütze verlangt: „Get Jack Reacher.“ Wir bekommen eine kleine verbale Einführung: Aha, ein ehemaliger Ermittler bei der Militärpolizei, degradiert irgendwie, aber kompetent, seit zwei Jahren von der Bildfläche verschwunden, nur ein Konto, von dem die Pension abgehoben wird. Wir sehen eine dessoustragende Frau, die sich aus Reachers (Motel?-)Bett erhebt, ist sie die Bedienung, die ihn gleich beim Frühstück im Restaurant anlächelt, wo er den Bericht von dem Massaker im Fernsehen sieht? Es ist nicht gerade die bildmächtigste und eindringlichste Einführung für einen starken Charakter, und nicht die, die man einer Figur wie Jack Reacher wünschen würde. Auch als er dann beim Staatsanwalt ins Zimmer tritt, bleibt das eher belanglos. Die visuell präsentierten Ermittlungsergebnisse hingegen, die zur Ergreifung des Schützen geführt haben, sind ein kleines filmisches Kabinettstückchen des Regisseurs Christopher McQuarrie. Zwölf Jahre nach seinem kleinen schmutzigen Film „Way of the Gun“ und der Drehbucharbeit für „Die üblichen Verdächtigen“ (1994), „Operation Walküre – Das Staufenberg-Attentat“ (2008) und für das Florian-Graf-Henckel-von Donnersmarck-Debakel „The Tourist“ (2010) legt er mit „Jack Reacher“ einen soliden, wenn auch nicht begeisternd großartigen Film hin.

Sieht man über die eigenen Adaptionsprobleme hinweg, die man als Lee-Child-Leser mit einem Tom Cruise hat, vermag der Film sogar mit (s)einer Perspektive zu verblüffen. Er gewichtet, der Not gehorchend und sich der Tugend besinnend, sozusagen die Figur des Jack Reacher ein wenig um. Aus dem Thriller-Action-Hero wird ein solider, geradezu altmodischer Ermittler – in den Romanen gerät das mitunter ein wenig in den Hintergrund. Obwohl Child als Tüftler und Fetischist des arkanen Wissens sich mitunter ordentlich ins Zeug legt, werden seine Detektivgeschichten-Elemente doch dann immer vom Action-Showdown überschattet.

Anfang und Ende des Films sind schön gerundet. Der „böse“, militärisch geschulte Schütze, der Reacher rufen lässt, aber nicht, wie sich herausstellt, weil er auf seine Hilfe hofft, sondern auf dessen unbedingten Willen, ihn für eine einst im Irakkrieg straflos gebliebene Tat nun diesmal auf den elektrischen Stuhl zu bringen. Diese Geschichte alleine übrigens, eine böse Scharfschützenepisode aus dem Irakkrieg, beinhaltet mehr Politik als Lee Child seinen Thrillern meist an aktuellen politischen Bezügen zugesteht. Noch in keinem seiner Romane fand sich ein Hinweis, dass „seine“ Einheit bei der Militärpolizei in der Realität für das Gefängnis von Abu Graib zuständig war. (Zur Rolle der US-MP empfehlenswert, das Buch „Warrior Police. Rolling with America’s Military Police in the World’s Trouble Spots“ von Gordon Cucullu.) Und dann, als alles vorbei ist, wacht der Schütze auf, und fragt nach Reacher, und alle Steinchen fallen noch einmal auf das Feld, lassen schmunzeln, wie rund hier doch erzählt worden ist.

Werner Herzog als The Zec in JACK REACHER

Der Blick auf Details, die gute alte Deduktion

Reacher, der Ermittler also, der zu einem (allzu) sympathischen Polizisten sagt: „Ich habe die gleiche Arbeit gemacht wie Sie, nur mit dem kleinen Unterschied, dass alle meine Verdächtigen ausgebildete Killer waren.“ Reacher, der Mann mit dem Blick für Details, der die Seriennummer eines Gewehrs ebenso sofort erfasst und behält wie das Ausgabejahr einer Münze, und auf die Frage „Haben Sie einen Stift?“ antwortet, „Brauche ich nicht.“ Reacher, der Unkonventionelle, der seiner Auftraggeberin, der Anwältin des Mordschützen, empfiehlt: „Schauen Sie sich die Opfer an. Wer waren sie? Wo gibt es eine Verbindung?“ Reacher, der „seinen“ Mann tot sehen will und doch nicht übersieht, dass es einfach ein paar perfekte Beweise zu viel gibt. Welcher Polizist (Achtung: Spoiler), fragt Reacher sich, kommt schon auf die Idee, eine Parkuhr zu leeren und einen Fingerabdruck auf einer Münze zu finden?
 Und dann Werner Herzog als Bösewicht: Ein wenig eine Geschmacks- und Glaubensfrage. Hätte es wirklich des milchigen Auges bedurft, wo doch die Gulag-Geschichte mit den abgefressenen eigenen Gliedmaßen schon fröstelnd genug ist? „Immer lieber die Kugel, ich verstehe das nicht“, seufzt er, der skrupellos Überlebenswillige, als einer seiner Fußsoldaten einen Fehler mit dem Abnagen seines eigenen Daumens wettmachen könnte. Rosamund Pike als Anwältin Helen, für die Reacher ermittelt, darf kaum mehr als bewundernd schauen, schrammt hart an der Rolle des vollbusigen Dummchens vorbei und hat einen recht biederen Konflikt mit ihrem Vater, dem Staatsanwalt, den Richard Jenkins gelangweilt routiniert hinlegt. Sehr liebevoll gezeichnet dagegen, die kleine Sandy aus dem Autoersatzteil-Laden, die Reacher als Lockvogel in eine Schlägerei hineinzieht. Hier ist small town America, hier ist auch Cruise richtig gut: in der Kneipe und dann auf der Straße bei der Schlägerei einer gegen fünf, auch dann noch, als er Sandys Laden aufsucht: „Arbeitet Sandy hier?“ – „Wer sind Sie, ein Polizist? Zeigen Sie mir Ihren Ausweis.“ – „Hol’ Sandy.“ – „Ich muss etwas sehen.“ – „Wie wäre es mit dem Inneren eines Krankenwagens?“ Gut auch die Badewannenschlägerei, die zwischen Slapstick und brutaler Action balanciert. Richtig zu sich findet der Film auch, als Cruise jenen Waffenladen aufsucht, auf dessen Schießstand sein Täter geübt hat. Wie Cruise zum Zielpfosten geht, um die neuen Zielscheiben anzubringen, einen kalten Hauch im Nacken spürt und einen Blick, wie aus dem Umgang mit dem grantigen Inhaber (der 81jährige Robert Duvall) eine respektvolle Kumpanei entsteht und wie Duvall als alter Marine dann Cruise beim Showdown zu Hilfe kommt.

Der Showdown im strömenden Regen ist bei aller unterkühlter Zelebration des Actionkinos dann in letzter Konsequenz ein wenig ein Letdown – dies eine Schwäche oder Eigenart auch vieler Lee-Child-Romane, dass die Drahtzieher böse, alte, kleine, ein wenig belanglose Männer sind. Hier ist es (Achtung: Spoiler) das Ende eines mit allen Mitteln zusammengerafften Immobilienimperiums, darunter vier Morde, um einen fünften zu anonymisieren, die Reacher auf den Plan riefen. Das Ende kommt nachts in einem Bauwagen in einem Steinbruch. Als Widersacher Reachers hat Werner Herzog als „The Zec“ letztlich nur knapp eine Handvoll Bleichgesichter aufzubieten, sitzt in seiner Baubude auf einem Stuhl. Das ist etwas fade. Kein großes Bild, kein großes Drama. Einfach das schnelle, kalte Ende eines Bösewichts. „Ploing“.

Nein, richtig zu begeistern vermag „Jack Reacher“ nicht. Aber es ist solides, fast altmodisches Kino – und kommt ganz ohne Explosionen aus, während alleine der vorangegangene Trailer für den nächsten Bruce Willis/Die-Hard-Film den Jahresbedarf meiner Pyrotechnik gedeckt hat. Irgendwie könnte ich mich doch an Tom Cruise als Reacher gewöhnen. Ein zweiter Film allerdings ist nicht in Sicht, Paramount will für den 50 Mio teuren „Jack Reacher“ erst einmal weltweit 250 Millionen Dollar Einspiel sehen …

Alf Mayer, Crimemag

Bilder: © Paramount

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