Tatjana Meissner (Foto: Robert Lehmann)Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein

Schlupflider, Augenringe, Knitterfalten, ausziehende Kinder und die Angst, ausgewechselt zu werden vom Gemahl gegen eine aus der Generation i-Phon. Es gibt Gemeinheiten im Leben einer Frau mittleren Alters, denen ist nur mit schwarzem Humor beizukommen. Na gut, eine Blondierung vom Frisör des Vertrauens, Johanniskraut und ein paar Einheiten Botox können Symptome lindern. Am Ende bleibt nichts anderes als aussitzen. Warten, bis man sich daran gewöhnt hat. Empfiehlt Tatjana Meissner.

Und in der Zwischenzeit? Immerhin hat sie nach eigenem Bekunden so fünf, sechs Jahre dazu gebraucht. In der Zwischenzeit heißt es Lachen. „Um nicht das große Schreien zu kriegen.“ Sie jedenfalls hat sich mit offenherziger Konsequenz dieser Eigentherapie unterzogen. Nachzulesen in ihrem Buch. „Alles außer Sex“ ist ein reichliches Understatement. Um den, man ahnt es, geht es auch und reichlich. Um den und um viele andere Missverständnisse zwischen Paaren. Sogar wenn sie durchaus noch rattenscharf sind aufeinander.

Der Eindruck nämlich, darüber sei schon alles gesagt, jeder Gag auserzählt ist, der täuscht. Wie verklemmt Paare zuweilen mit dem Thema umgehen, kann sie während ihrer Kabarettprogramme allabendlich beobachten. Männer, die sich ertappt fühlen, wenn sie an den verräterischen Stellen lachen. Frauen mit diesem Siehste-das-habe-ich-dir-auch-gesagt-Blick. Dann sind sie richtig erleichtert, wenn sie mal zusammen darüber lachen können.

Apropos Gag. Man macht einen und das Publikum verzieht keine Miene. Der Supergau für jeden Comedien. Klar, sagt sie. Kann vorkommen. Es gibt Gags, die kommen immer. Andere musst du genau vorbereiten. Das hängt auch von der Tagesform ab. Wie beim Autofahren. Man ertappt sich bei Unkonzentriertheit, schüttelt sich und dann läuft es. Immer die Ulknudel geben. Ist das nicht anstrengend? Wünscht man sich insgeheim auch anders wahrgenommen zu werden? Doch, sagt sie. Schon. Sie kann auch melancholisch werden. Das liegt ja auch nah beieinander. Über das Wendethema würde sie gern schreiben. Oder einen Krimi. Mal gucken.

Jemand hat sie einmal ihren eigenen Nacktscanner genannt. Bei so viel Bekennerlust. Schwer manchmal, sowas zu schreiben? Nö, sagt sie. Lieber forsch voran als rumgedruckst. „Kann ja jeder sehen, dass ich älter werde, also kann ich darüber auch reden.“ Am besten „Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein“, wie sie ihre Bekenntnisse untertitelt. Wobei der Franzbranntwein höchstens für Einreibungen ihres Traum-Mannes zum Einsatz gekommen sein dürfte, der während eines romantischen Abends urplötzlich Opfer vorfallender Bandscheiben wurde. Über ihn plaudert sie überhaupt eine Menge aus.

Für sein lebendiges Vorbild muss das einigermaßen getarnt sein, wenn er mit anderen Jungs beim Bier sitzt. Gar nicht, ist sie sich sicher. Besagtes Malheur haben sie sich sogar zusammen ausgedacht. Auf der Autobahn unterwegs zum Bücherfrühling nach Erfurt. Das mit den Bandscheiben stimmte. Die dazu zusammengesponnenen Umstände fanden beide so brüllkomisch, dass sie zum Aufhänger für ihr neues Buch wurden. Männer gibt’s, die gibt’s gar nicht. Ihren fischte sie nach einer Reihe von Missgriffen aus dem Netz. Finde-mich-sofort.de. Auch das ist nachzulesen.

Als sie noch beim Fernsehen war gab es eine Zeit, da hatte sie sich aussortiert gefühlt. Niemand sagt dir das ins Gesicht, aber du spürst es. Das ist verletzend. Außerdem hat es mit Zukunftsängsten zu tun. Keine tolle Zeit. Heute läuft alles ziemlich gut für sie. Auch wenn sie ein kleines bisschen einräumen muss, das jeder Erfolg einen Pferdefuß hat. Drunter geht nichts mehr, am besten drüber. Klar gibt es ihn, den Erfolgsdruck.

Gut möglich, dass sie ihre neu entdeckte Gelassenheit vor größerem Ungemach bewahrt. Denn sie weiß durchaus auch Gutes über das Älterwerden zu sagen. Das Leben wird irgendwie entspannter, angstärmer. Das ist doch mal eine wirklich optimistische Botschaft: Es gibt ein Leben jenseits der 40! Und vermutlich auch darüber hinaus. Mal sehen, was ihr Lustiges zum Thema Hitzewellen einfällt.

Text: Elena Rauch

Text erschienen in TA

Bild: Tatjana Meissner (Fotos: Robert Lehmann)



Tatjana Meissner: Alles außer Sex – Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein

Eulenspiegel Verlag, 224 Seiten, 12,95 EUR


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