Satire hat es schwer heutzutage. Lachen ist Mangelware. Dabei wissen nicht nur Psychologen, wie heilsam es sein kann. Diesbezüglich haben die Protagonisten des alltäglichen real-satirischen Wildwuchses auf den großen und kleinen Polit-Bühnen leider Vorbildfunktion: Verbissen, fanatisch, polternd, propagieren sie die totale Ich-Bezogenheit fern jeglichen Augenzwinkerns. Die Auswüchse solcherart Schmalspur-Denkens schlagen sich massiv in den Foren angeblicher „sozialer Medien“ nieder: Noch das kleinste Licht geriert sich dort als große Leuchte, diskutiert nicht, sondern fällt Urteile, in einer Unnachgiebigkeit, die einen schaudern lässt. Gerade die Satire ist derzeit besonders von allerlei gedankenarmem Geschwätz betroffen und wird gern an den Pranger gestellt. Wer mit Pointen piekst, um so die kleinen grauen Zellen auf Hochtouren zu bringen, muss heutzutage mit Prügel rechnen. Getroffene Hunde bellen am lautesten. So hieß es mal. Inzwischen beißen sie. Dabei täte es gerade ihnen gut, wenigstens mal zu schmunzeln. Denn das eröffnet immer die Chance zum Miteinander. Doch das von uralten Stammtisch-Parolen angeheizte Gegeneinander gewinnt brutale Oberhand.
Da ist es jeder und jedem, die weiterhin mit intelligentem Witz die Schieflage der Welt kommentieren, hoch anzurechnen, wenn sie nicht den Schwanz einziehen. Vielerorts ist allerdings schon in den letzten Jahren zu bemerken gewesen, dass selbst im Karneval, der fünften Jahreszeit, da der Spott traditionell das Sagen hat, der Witz mehr und mehr weg vom Politischen blendet, hin zu Allgemeinmenschlichen. Auf manchen Veranstaltungen fiel auf, dass das Lachen weniger wurde, sobald gesellschaftliche Fehlentwicklungen aufgegriffen werden. Im Vorjahr etwa, auf der Stunk-Sitzung in Düsseldorf, war dem so. Da war die Spannung groß, ob die seit einem Vierteljahrhundert agierenden Kabarettistinnen und Kabarettisten dem in diesem Jahr Rechnung tragen und sich auf das Terrain harmloser Spässchen zurückziehen würden. Sie haben es nicht gemacht. Bravo!
Mit tatsächlich messerscharfen Pointen geht die 1994 in Neuss gegründete Truppe weiter unverdrossen gegen Dummheit, Rassismus, Intoleranz, Populismus an. Und: Zumindest das Publikum der Düsseldorfer Premiere hat das hellwach aufgenommen. Die zum Teil hochaktuellen Kabarett-Nummern, die blitzschnell beispielsweise die Ereignisse im Thüringer Landtag und dessen Folgen satirisch aufgespießt haben, wurden mit schallendem Gelächter quittiert. Höhepunkte waren daneben zum Beispiel eine Sitzung anonymer AfD-Wähler, ein Einblick in die Arbeit der Bundesregierung, Auseinandersetzungen mit Bildungspolitik und Pflegenotstand, religiöser Intoleranz, die Gefahren digitalen Machtmissbrauchs und die #MeToo-Bewegung, Brexit und Flüchtlings-Katastrophe. Das alles zündet, weil das Autoren-Team Texte und Songs mit feinem Schliff erarbeitet hat, die Akteure immer grotesk überziehen, aber nie ins Dumpf-Dödelnde abrutschen. Da gelingt es sogar, Greta Thunberg zu veräppeln, die Ziele der von ihr initiierten Fridays For Future-Bewegung jedoch keinesfalls der Lächerlichkeit preis zu geben. Hochachtung!
Manche Pointe ist, wie könnte es anders sein, schmerzhaft. Wenn da zum Beispiel gefragt wird, wo die meisten Flüchtlinge aufgenommen werden, und die Antwort heißt „Im Mittelmeer!“, stockt das Lachen. Nicht anders ist es, wenn in einem Song gebrüllt wird, „In der AfD liegt das Heil“ oder wenn der TV-Dauerbrenner „Das Wort zum Sonntag“ aufs Korn genommen wird, um das Ungleichgewicht von behaupteter religiöser Toleranz und alltäglicher Intoleranz zu beleuchten.
„Die Hoppeditz-Guerilla – Rosenmontag For Future“ heißt das Programm. Der Hoppeditz ist ein Düsseldorfer Verwandter von Till Eulenspiegel, die symbolische Leitfigur des Karnevals. Was hier in seinem Namen geboten wird, verdient auf einer Skala von eins bis zehn mindestens zwölf Punkte! Den großen, etablierten Theatern möchte man den dringenden Rat geben, sich das Programm anzusehen. Denn hier wird Kunst publikumswirksam zur Waffe – wider alle Dummheit. Was auf vielen großen Bühnen zu oft mit verquerem Pseudo-Anspruch vergeigt wird, nämlich ein breites Publikum zum Nachdenken über sich selbst und den Zustand der Welt anzuregen, gelingt hier mit Charme, Grips und spielerischer Lust. Mehr Stunk bitte, sollte die Parole des Tages sein. Das trägt nämlich nachhaltig dazu bei, die politische Luft klarer zu bekommen.
Peter Claus
Bild ganz oben: screen Website | © stunk
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