Hier gibt es Stücke des elisabethanischen Meisters authentisch und hautnah – mit dabei ist das in Potsdam beheimatete Theater Poetenpack mit „Romeo und Julia“ vom 08. bis 10. Juli
Shakespeare forever!
Alle Jahre wieder lädt Shakespeare nach Neuss ins nachgebaute Globe Theatre. Inszenierungen aus aller Welt locken zur Auseinandersetzung mit dem Werk des großen Dichters – und vor allem zu Spaß. Spaß nicht im Sinne greller Oberflächlichkeiten. Es geht um den Spaß an Gedankenreichtum – und der Auseinandersetzung damit.
Am 08., 09. und 10. Juli gibt‘s eine diesbezüglich besonders gelungene Inszenierung – vom Theater Poetenpack aus Potsdam, eine freie Truppe, die in diesem Jahr in zwanzigjähriges Bestehen feiern kann.
Regisseur Andreas Hueck bietet eine kluge Bearbeitung an, die auf gleich 29 verschiedenen Übersetzungen basiert. Er hat die Tragödie clever gekürzt und überrascht damit, dass Pater Lorenzo, bei Shakespeare eher eine Nebenfigur, ins Zentrum rückt. Lorenzo ist der Mann der Vernunft, der Mann, der sagt, dass Hass und Gewalt immer die falschen Grundlagen für das Miteinander von Menschen sind. Mit ihm kommen Romeo und Julia in unsere Gegenwart, wirkt das Stück überzeugend heutig.
Es wird interessant, wie die Aufführung in Neuss aussieht. Dort wird ja drinnen gespielt. Die Premiere der Inszenierung war unter freiem Himmel, im Heckentheater am Neuen Palais in Potsdam-Sanssouci. Da muss wohl einiges umgestellt werden. Allerdings: Die Inszenierung verlässt sich auch in Potsdam nicht auf den Reiz der Örtlichkeit! Das dortige Ambiente könnte zu Kitsch verführen: Man sitzt in einem Hain, umgeben von Hecken, auf Gartenstühlen. Die Spielfläche liegt etwas erhöht. Dort oben, an den Seiten und im Hintergrund, bilden die Hecken ein natürliches Bühnenbild, was den Schauspielerinnen und Schauspielern, die auch als Musiker agieren, als Pantomimen, als Tänzer, tolle Auftrittsmöglichkeiten bietet.
Gut ins Globe dürfte das Zentrum der Bühne passen: das ist eine Art Brücke, die auch ein Torbogen sein kann, Ballsaal, Stadtkulisse, Gruft. Die ausgeklügelte Lichtgestaltung zaubert die jeweils richtige Stimmung. Das A und O: Es wird sehr der Sprache vertraut und auf eine hohe Sprechkultur gesetzt. Das überzeugt, das packt, das wird gar großes Theater, weil es eine hintergründige Auseinandersetzung mit heutigen Fragen offeriert, etwa zum Verhältnis der Geschlechter oder zu Fragen der Gewalt. Und: es ist emotional packend. Da wird der Wert der Liebe ausgewogen, ohne in die Kitschfalle zu tapsen. Es geht fast sachlich zu. Wenn Gefühle ein Rolle spielen, sind die effektsicher gebündelt, ohne nach Effekten zu haschen. Es wird mit kleinen, feinen Mitteln gearbeitet – von Schauspielerinnen und Schauspielern, bei denen durchweg die Chemie stimmt, bei denen zu spüren ist, dass sie mit welcher Lust agieren, mit einer wirklich irrwitzigen Lust.
Natürlich: Bei „Romeo und Julia“ möchte man gerührt sein. Das ist man denn auch, aber ohne übers Glatteis der Sentimentalität zu schlittern. Am Ende, klar, wird manches Auge im Publikum feucht, rast so manches Zuschauerherz.
„Romeo und Julia“ ist so oft gar nicht auf den Spielplänen hierzulande zu finden, weil wohl viele Regisseur und Dramaturgen Angst haben, in die schon benannte Kitschfalle zu geraten. Andreas Hueck und das gesamte Team haben diese Sorge nicht. Sie arbeiten so konzentriert und kultiviert, dass sie die auch nicht haben müssen. Hueck hat mit Gespür für Wirkung gekürzt, hat pointiert inszeniert – und er hat seiner Schauspieltruppe viele Gelegenheiten zum Brillieren gegeben. Die Akteure sind ihm großartige Partnerinnen und Partner. Sie spielen mit Verve, sehr genau und großartig, sie setzen nicht auf schenkelklopfenden Krachhumor, sondern auf die ernsten Aspekte der Vorlage, auf die Auseinandersetzung mit Gewichtigem.
Wie immer bei Shakespeare: Es gibt auch komische Figuren, allen voran das Duo Mercutio und Benvolio, Freunde von Romeo. Markus Braun (Benvolio) und Andreas Klopp (Mercutio) sind hinreißend komisch, doch sie schaffen auch scharfe Konturen, befördern das Nachdenken über Gewichtiges. Insbesondere Andreas Klopp begeistert mit nuanciertem Spiel zwischen Spaß und tieferer Bedeutung. Bravo! Die komischen Szenen in den Tragödien Shakespeares sind ja der Gradmesser für die Qualität der jeweiligen Inszenierung. Da geht das Niveau oft runter. Hier jedoch geht’s steil nach oben! Begeisternd sind ebenfalls die leisen Szenen, etwa wenn die Liebe von Romeo (Florian Bamborschke) und Julia (Julia Borgmeier) auflodert. Man ist gebannt, man fiebert mit. Diese Julia, die nichts Kindliches hat, die zunächst eher spröde wirkt, wird als widersprüchlicher Charakter offenbart, angetrieben von enormen Lebenshunger. Man verliebt sich als Zuschauer ganz schnell in sie. Reiner Gabriel als Pater Lorenzo fesselt mit hoher Sprechkultur. Jeder Gedanke Lorenzos hat Schärfe, aber nirgends übertreibt er, forciert nicht, knüppelt die Botschaft nichts ins Publikum, sondern lässt sie durchscheinen. Alle haben tolle Momente.
Hier wird die Kunst des Theaters auch dazu genutzt, sich heute gesellschaftlich relevanten Fragen zu stellen. Pralles Schauspieltheater ist das, fern von irgendwelchen überzogenen Regie-Marotten wird Shakespeare in unsere Zeit geholt. Und dabei zeigt sich mal wieder: Auch wenn seine Helden sterben müssen – Shakespeare ist unsterblich.
Peter Claus
Vom 08. bis 10. Juli gastiert das in Potsdam beheimatete Theater Poetenpack mit der Inszenierung beim renommierten Shakespeare-Festival im Globe Theatre in Neuss.
http://www.theater-poetenpack.de/stuecktitel.html?id=61
Weitere Aufführungen dann im Heckentheater am Neuen Palais in Potsdam-Sanssouci: 05., 06., 13., 14., 20., 21., 24. bis 28. Juli
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