In der Not greift Ethan Hunt (Tom Cruise) in der MISSION IMPOSSIBLE-Serie zum Handy, um die Welt zu retten. Einst stand Finanzhai Gordon Gekko (Michael Douglas) in WALL STREET (1986) am verlassenen Strand im Sonnenaufgang und spricht über sein Handy zum Rest der Welt – gut 20 Jahre später erhält der dieses monströse, eher an eine Kriegsfunkgerät erinnernde Handy bei seiner Gefängnisentlassung in WALL STREET 2 (2010) zurück – man sieht, dass dieser Riesenknochen zu einem scheinbar ausgestorbenen Dinosaurier gehört. War das „Handy“ einst ein hippes Requisit, mischte es sich zunehmend in den Alltag und damit in die Dramaturgie von Filmen ein.
2010 sorgte Charlie Chaplins CIRCUS (1928) für Aufregung, da in einer Szene eine Passantin scheinbar mit einem Handy telefoniert – sie rückte wohl nur ein Hörgerät zurück, aber mancher vermutete sogar eine Zeitreisende in ihr. Der mobile Funk während Zugfahrten begann tatsächlich 1918. Erich Kästner gelang die frühe Schilderung eines Handys in seinem Kinderbuch ‚Der 35. Mai‘ (1935): „Ein Herr … zog einen Telefonhörer aus der Manteltasche, sprach eine Nummer hinein und rief: ‚Gertrud, hör mal, ich komme heute eine Stunde später zum Mittagessen. Ich will vorher noch ins Laboratorium. Wiedersehen, Schatz!‘ Dann steckte er sein Taschentelefon wieder weg, trat aufs laufende Band, las in einem Buch und fuhr seiner Wege.“
Im Film prägten Kurbeltelefone und in Telefonvermittlungen gesteckte Verbindungen die modernen Schwarzweiß-Klassiker. Das Telefon wurde schnell zum Kinostar: BEI ANRUF MORD (1959) will ein Ehemann seine Gattin am Telefon umbringen lassen, in TELEFON (1977) werden russische Schläfer per Anruf „geweckt“ und in SCREAM (1996) werden Horrorfilmfragen am Telefon zum Todesurteil.
Heutzutage ist ein Leben ohne Handy undenkbar – Filme auch. Es ist nicht nur moderne Requisite, sondern hat eine tragende Rolle – oder eben auch gerade nicht! Die Klein-Handy-Revolution im modernen Leben wurde in TAGE WIE DIESER (1996) gefeiert, in dem die Kommunikation großteils mobil verläuft und die Verwechslung zweier Handys selben Modell die Handlung bestimmt. Im Agenten-Thriller RONIN (1998) wird es zur Lösung von Kommunikation und zur Ortung genutzt und macht erstmals die Aufhebung von Zeit und Raum zum Thema – jeder war überall erreichbar und auffindbar. Wie befreiend diese Mobilität ist, zeigt der Thriller FINAL CALL (2004), in dem ein junger Mann zufällig den Anruf einer entführten Frau annimmt und nun mit seinem Handy kreuz und quer durch L.A. jagt, um sie zu retten. Hier wie auch in der TV-Serie 24 gibt es ohne „Mobile“ kein Überleben.
Dramaturgisch ist aber auch die Passivität immer wichtiger geworden – es ist wichtig, dass es grade kein Netz gibt oder der Akku leer ist. Immer wieder müssen Teenies in der Wildnis an die Grenzen ihres Handys stoßen. Sie dürfen nicht gleich die Polizei rufen können, um den debilen Psychopathen festzunehmen, der ja gerade ihr Leben in Gefahr bringt. Das Handy ist zum Klischeeersatz geworden, zum Beispiel für das nicht starten wollende Auto, um die Mobilität einzugrenzen.
Filmemacherin Nora Ephron E-M@IL FÜR DICH (1998)) meinte, dass das Handy die Tradition der romantischen Komödie vernichtet. Denn nun kann jeder jeden immer anrufen oder man macht ein Foto von etwas und die Wahrheit kommt heraus. Würde SCHLAFLOS IN SEATTLE (1993) heute spielen, müsste Meg Ryan nicht liebestrunken zum Empire State Building eilen, um den wartenden Tom Hanks zu treffen: Anruf genügt oder eine SMS „Komme 5 Minuten später. LOL“
Wolf Jahnke
Bilder: Wall Street © Twentieth Century Fox Home Entertainment Germany, Scream © Studiocanal
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