Grafik des kapitalistischen Realismus
KP Brehmer, KH Hödicke, Sigmar Polke, Gerhard Richter, Wolf Vostell, Druckgrafik bis 1971.

Edition Block, Berlin, bis zum 30. Juli 2011

„Kapitalistischer Realismus“ hieß im Oktober 1963 ein legendäres Happening im Düsseldorfer Möbelhaus Berges. Damit wollten sich Künstler wie Konrad Lueg, Gerhard Richter und Sigmar Polke vom „Sozialistischen Realismus“ abgrenzen. Irgendwie konnte man aus der Performance zwischen Nierentischen, Fernsehgeräten und Kleidern von Joseph Beuys aber auch eine ironische Distanzierung von der Konsumkultur des Kapitalismus herauslesen. Doch immerhin warben sie damals für ein „Leben mit Pop“. Die alte Frage, ob der „Kapitalistische Realismus“ nun eine Methode der künstlerischen Gesellschaftskritik war oder nicht, lässt sich auch in René Blocks Ausstellung mit Druckgrafiken aus dieser Zeit nicht endgültig klären. Es finden sich darin ebenso viele Belege für die These wie gegen sie. Wer sie noch nicht kennt, kann an den letzten Exemplaren von Blocks legendärer Edition zur Druckgrafik, die der ersten Ausstellung der „Kapitalistischen Realisten“ in Schöneberg 1964 vier Jahre später folgte, noch einmal den Siegeszug der populären Bildmotive in der Kunst nachvollziehen: Mit KP Brehmers Badenixe aus der Werbung bis zu Wolf Vostells Handmixer. An Werken wie diesen lässt sich ermessen, wie weit der Pop heute gekommen ist. (Katalog, Kerber-Verlag, 18 EUR)

Wolf Vostell: Phantom, 1968 (Siebdruck auf Pappe, mit verspiegelten Glühbirnen, © Edition Block, Berlin)

Wolf Vostell: Phantom, 1968 (Siebdruck auf Pappe, mit verspiegelten Glühbirnen, © Edition Block, Berlin)

mehr Informationen via editionblock.de

Sven Marquardt. Portraits

Galerie Pixel Grain, Rosenstr 16/17, Berlin-Mitte, bis 21. April 2011

„Manche Gesichter bleiben hängen“. Dass Sven Marquardt ein Gespür für Gesichter hat, merkt man den Fotografien des 1962 im damaligen Ost-Berlin geborenen Künstlers auf Anhieb an. Auch wenn sie alles andere als „authentisch“ sind. Sondern hochgradig inszeniert. In seinen sorgfältig arrangierten schwarz-weiß Fotografien schafft er es, einen Zustand zwischen Exaltation und Kontemplation, zwischen Stärke und Verletzlichkeit aufscheinen zu lassen. Dieses besondere Vermögen hängt womöglich mit seiner Ausbildung zusammen. In der DDR hat Marquardt lange für die DEFA und die Modezeitschrift Sibylle gearbeitet. Und in der grauen Republik war er jahrelang den Subkulturen auf der Spur, die es dort eben auch gab. Es hängt aber bestimmt auch mit seinem Job zusammen. Denn Marquardt hat als Türsteher bei dem legendären Gay-Club OstGut angefangen. Und entscheidet jetzt, wer in seinen legendären Nachfolger hinein darf oder nicht: das Berghain. Die gefürchtete Politik von Inklusion und Exklusion ist mindestens so legendär wie der Club selbst. Und hat Marquardt, den Cerberus des Berghain, inzwischen selbst zu einem Mythos werden lassen.

Foto: Porträt zweier Männer (Sven Marquardt. Courtesy Galerie Pixel Grain)


Berghain Novelle

Galerie Laura Mars, Berlin-Kreuzberg, bis 30. April 2011

„Der schönste Club der Welt“. So nannte vor Jahren ein Kolumnist der Süddeutschen Zeitung einmal begeistert den (Ost-)Berliner Club Berghain. Gegründet wurde er der legendäre Sex-Drugs&Techno-Tempel 1998. Damals firmierte der neben dem Berliner Ostbahnhof gelegene Schuppen samt seiner „Panorama-Bar“ noch unter dem Namen OstGut. Und war eine ziemlich schwule Location. Bis er in ein altes Heizwerk aus realsozialistischen Tagen direkt hinter dem Bürogebäude des Neuen Deutschland umzog. Von da an nannte er sich Berghain, eine semantische Fusion aus Kreuzberg und Friedrichshain, den Berliner Bezirken aus denen sich sein Publikum speiste. Den ins Mythische gewachsenen Ruf des ehemaligen Subkultur-Tempels, den heute kein Tourist auf seinem Berlin-Trip mehr auslässt, nehmen fünf Künstler zum Anlass für eine imaginäre Vermessung dieses Sehnsuchtsortes: Von der Architektur über den Scherenschnitt bis zum expressionistisch getönten Animationsfilm. Im Mittelpunkt steht die angebliche Wiederentdeckung der verschollenen Berghain-Novelle. In einer Glasvitrine ruht eines der seltenen, in rotes Leinen gebundenen Exemplare, 1954 erstmals erschienen, das sich heute angeblich „fast ausschließlich in Privatbibliotheken“ befindet. Gibt es das Buch wirklich? Was hat es mit seinem Autor Hermann Skadus auf sich? Berghain Novelle ist ein brillantes Spiel mit dem Mythos. Darüber wird die Ausstellung, samt ihrem großartigen Katalog, selbst zu einem veritablen Kunststück. Seit langem die schönste Schau in Berlin! (Katalog, Maas-Media, 5 EUR)

Foto: U-Bhf Berghain Ost, 2011 (detail view), Pappe, Makrolon und Plasma TV Gerät. Courtesy Laura Mars. Grp.

mehr Informationen via lauramars.de

Text: Ingo Arend