Cut&Mix – Kulturelle Aneignung und künstlerische Behauptung:

Zeitgenössische Kunst aus Peru und Chile

Kulturtransfers 2 der ifa-Galerie Berlin, bis zum 17. April 2011

Berlin ringt um das Humboldt-Forum. Keiner weiß, wie der Anachronismus gelingen kann, in den Mauern eines gefakten Barockschlosses ein Forum für den interkulturellen Dialog von morgen zu installieren. Dabei gibt es in Berlin längst genügend Institutionen dafür. Eine von ihnen ist die Kunstgalerie des staatlichen Instituts für Auslandsbeziehungen (IFA). Ihre jüngste Ausstellung zu zeitgenössischer Kunst aus Peru und Chile gibt einen Vorgeschmack auf die Dimensionen dieses Dialogs. Nicht nur, weil sie mit den Künstlern Gilda Mantilla und Raimond Chaves Dibujando eine Art Nachfahren Alexander von Humboldts präsentiert. Ihr Serie mit Zeichnungen „Dibujando América/Amerika zeichnend“, eine Art moderne Reisemalerei, erinnert nämlich an genau die Naturzeichnungen, mit denen der Gelehrte zu Beginn des 19. Jahrhunderts berühmt wurde und das Bild des lateinamerikanischen Kontinents hierzulande geprägt hat. Die Ausstellung zeigt aber auch, mit welchen inneren Widersprüchen die dialogbereiten Länder zu kämpfen haben: Eine Arbeit wie „Inkarri“ von José Carlos Martinat und Enrique Mayorga legt das Identitätsdilemma zwischen Moderne und Mythos frei: Auf einer Fotografie sieht man einen in Form eines Inka-Kopfes geschnitten Zierbusch, der Boden davor ist mit Ausdrucken aus dem Internet übersät. (Katalog, Kerber-Verlag, 16,50 EUR)

Foto: José Carlos Martinat und Enrique Mayorga: Inkarri. Ambiente de Estéreo Realidad 3 / Rauminstallation Stereo-Realität 3, 2005, Digitalfotografie, drei Drucker mit automatischem Papierschneider, ein PC und Sensoren, verschiedene Größen, Reproduktion eines Werkes aus der Sammlung MALI, Museo de Arte de Lima, Schenkung des Künstlers. Courtesy/Copyright: ifa.

Foto: José Carlos Martinat und Enrique Mayorga: Inkarri. Ambiente de Estéreo Realidad 3 / Rauminstallation Stereo-Realität 3, 2005, Digitalfotografie, drei Drucker mit automatischem Papierschneider, ein PC und Sensoren, verschiedene Größen, Reproduktion eines Werkes aus der Sammlung MALI, Museo de Arte de Lima, Schenkung des Künstlers. Courtesy/Copyright: ifa.


James Franco: The Dangerous Book for Boys

Peres Projects, Berlin, bis zum 23. April 2011

Hierzulande firmiert James Franco immer noch unter „Hollywood-Schönling“. Schuld daran ist vermutlich seine Mutter, die den 1978 im kalifornischen Palo Alto-geborenen Schauspieler als kleinen Jungen dazu überredete, seine schief stehenden „Hasenzähne“ mittels einer Spange so ins Ebenmaß zu rücken, dass der Aufstieg zum Leinwandstar unausweichlich war. Sein Rolle als bester Freund Spidermans, der Auftritt als Oscar-Moderator oder die Rolle in dem jetzt anlaufenden Extremsport-Thriller „127 Hours“ verdecken, dass in Franco ein ästhetisches Multitalent schlummert. Dass er nicht nur, wie er es einmal für Schauspielerei konstatierte, „komplexere Rollen“ schätzt, belegt auch seine erste Kunstausstellung. Installationen wie das „Burning House“ oder das wiederkehrende Motiv eines zerstörten Spielzeughauses aus Plastik wirken wie die Austreibung der Kindheit. Der Titel der Schau spielt an auf ein in den USA legendäres Handbuch: „The Dangerous Book for Boys“. Und adoleszente Fantasien von der Pyromanie bis zur Onanie sind ganz deutlich Antriebsmomente für die bemerkenswert dunkle, hollywoodabgewandte Seite eines talentierten Beaus. Der chaotische Abfallhaufen, in dem das angesengte Buch liegt, vom Football bis zum Pinsel bezeichnet jedenfalls präzise die Übergangszone zwischen Kindheit und Kunst.

Foto: James Franco, Installation View, 2011, Courtesy: Peres Projects

Foto: James Franco, Installation View, 2011, Courtesy: Peres Projects


Geld

Galerie Reception, bis zum 5. März 2011

Alles dreht sich um das liebe Geld. Dabei gibt es ja angeblich keins mehr. Oder jedenfalls sieht man es nicht mehr. Denn seit dem Casinokapitalismus gibt es eigentlich nur noch Geldströme, die in atemberaubender Geschwindigkeit um den Globus rasen. Deswegen ist es ein großer Vorteil der Ausstellung in der Schöneberger Galerie Reception, dass sie die materialen statt materiellen, sprich: haptischen Qualitäten eines nahezu unsichtbar gewordenen Verkehrsmittels in den Vordergrund rückt. Dass Künstler mit ihren Werken große Werte schaffen, meist aber doch mit kleiner Münze vorlieb nehmen müssen, kann man in der von Christine Heidemann ebenso klug wie überraschend kuratierten Schau an den witzigen Arbeiten der Berliner Künstlerin Heike Bollig sehen. Denn es sind kupferlegierte Cent-Stücke, die sie da so auf in eine Vase gestellte Metallstäbe gesetzt hat, dass ein Blumenstrauß im Gegenwert von zweisiebenundsiebzig dabei herausgekommen ist. Aber auch veritable Größen des Kunstbetriebs müssen offenbar sparen: Von John Baldessari stammt ein kleines Multiple in Form einer rotledernen Geldbörse, auf die er in goldenen Lettern den schönen Satz „I will not buy any more boring art“ geprägt hat.

Foto: Heike Bollig: Zwei siebenundsiebzig, 2009, Kupfervase, Stäbe, Euromünzen. Courtesy Reception Galerie

Foto: Heike Bollig: Zwei siebenundsiebzig, 2009, Kupfervase, Stäbe, Euromünzen. Courtesy Reception Galerie

Text: Ingo Arend