Überraschend war das schon. Wir saßen gestern beim Frühstück in der Küche, vor uns einen langen Arbeitstag mit je eigenen Dienstreisen. Da diskutiert man natürlich engagiert, wie man es dem Leser mal so richtig schön machen kann.

Und dann passierte es. Sie unterbricht dieses interessante Gespräch, springt auf und spricht einen hochgradig irritierenden Satz: „Ich muss jetzt mal den Staubsauger holen!“

Dieses technische Gerät steht in diesem Haushalt, nun ja, sagen wir: nicht im Ruf einer lustfördernden Erfindung. Manchmal nutzen wir es, wenn es sich gar nicht mehr vermeiden lässt.
Und dann beim Frühstück!

Ich kaute nachdenklich auf meinem hart gerösteten Brot herum, bis sie zurückkam. Sie zog die Düse vorne ab und hielt das Rohr beinahe kämpferisch in den entschlossenen Händen. Wie eine Waffe.

Es war eine Waffe. Sie wurde gnadenlos eingesetzt gegen die Motten in der Küche. Sie saßen oder klebten an den Wänden und an der Decke. Die von uns erworbenen und ausgelegten sog. Mottenfallen hatten offenbar das Wohlbehagen der Gäste erheblich gesteigert. Manchmal dachte ich, wenn Motten sprechen könnten, dann hätten sie uns wohl gedankt für die sog. Fallen.
Und hätten jetzt die Dame beschimpft. Mörderin, Mörderin! Denn in aller Brutalität ermordete sie das Mitgeschöpf Motte, eins ums andere. Das Rohr sadistisch über das Lebewesen gehalten und hui!, ab ging’s in den Staubbeutel.

Aber vielleicht haben sie ja auch dort ein langes Leben. Von erstickendem Staub jedenfalls werden sie dort so schnell nicht belästigt werden.

 

Henryk Goldberg, Thüringer Allgemeine 10.07.2012

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