Ufa-Filme sind für deutsche Cineasten in der Regel guilty pleasures, schuldige Vergnügungen. Schuld, weil die Ufa nicht nur Filmproduktion im »Dritten Reich«, sondern die Filmproduktion des »Dritten Reichs« war. Vergnügen, weil ihre Parallelwelt einer Zeit entstammt, in der das Kino noch ein zentraler Ort des Mythos und der Alltagskultur war. In Ufa-Filmen meint man die Kamera zu hören und die Musik zu sehen, man meint Kinos zu riechen und die Wirklichkeit da draußen sich entfernen zu spüren; man meint einem Kino beizuwohnen, das noch geholfen hat.

Das Traumreich der Ufa-Filme, die Geschichte eines Produktionssystems, die einzelnen Filme, von denen viele nur bei angestrengtem Sehen miteinander verwandt sind, die »Gesichter« der Ufa, die Spuren der Aktiengesellschaften, die Erinnerungen, die Kritik – all das will nicht gleich zusammengehen. Und zu allem, was man über Ufa-Filme sagt, finden sich Gegenbeispiele. Hier schmuggelt jemand mehr Kunst ins Kino als üblich, dort einer mehr Modernität – wie bewunderte man doch die Frivolität von »VIKTOR UND VIKTORIA« oder »DIE DREI VON DER TANKSTELLE« – , hier dreht einer das Tempo auf und dort verleiht einer wie Veit Harlan noch einem Spazierschritt die Bleischwere des brünftigen Melodramas. Und doch gibt es so etwas wie einen Kern des Ufa-Films. Er war und ist vielleicht deutsches Kino par excellence, im Guten wie im Schlechten.

Das Monopol

Die Geschichte der Ufa ist das Gegenteil von dem, wovon die populärsten Ufa-Filme erzählen: die fundamentale Abwesenheit von »Unschuld«. Schon in der Gründung steckt der politische Verrat des Kinos: Die Ufa entstammte der Idee vom Krieg der Bilder. Im Januar 1917 war die Oberste Heeresleitung von den propagandistischen Möglichkeiten des Films überzeugt genug, um mit dem Bild- und Filmamt (Bufa) ein eigenes Instrument für die »psychologische Kriegsführung« zu schaffen. In Wahrheit aber wollte man schon für die Zeit nach dem Sieg vorbereitet sein, um einen nationalen Konzern zu gründen, der mehr oder weniger monopolistisch Unterhaltung und Propaganda verbinden sollte. Treibende Kraft war Erich Ludendorff, einer der Erfinder der »Dolchstoßlegende«.

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Als im Dezember 1917 die Universum Film als Zusammenschluss verschiedener kleinerer Produktionsfirmen gegründet wurde, kam das Kapital vom Militär und der Deutschen Bank. Der Markt war durch den Krieg nahezu konkurrenzlos zu besetzen. Mithalten konnte allenfalls Alfred Hugenbergs Deutsche Lichtbild-Gesellschaft (DLG), ein Jahr zuvor ebenfalls als Propagandamittel von Industrie und Militär gegründet, mit einem Schwerpunkt bei den Balkan- und Orientgebieten. Die Konkurrenz von DLG und Ufa spiegelt vor allem einen Konflikt zwischen Schwerindustrie und Bankenwesen in der Zeit des Ersten Weltkriegs wider. Der Kampf um das Monopol wurde 1918 mit einer Aufgabenteilung beigelegt: Die Ufa verzichtete auf die Produktion von »Wirtschaftspropagandafilmen« und ließ die entsprechenden Filme der DLG in ihren eigenen Kinos zu. Bei der DLG entstanden immerhin Filme wie F. W. Murnaus »DER BRENNENDE ACKER« (1921), aber auch eine erste Version von »KOLBERG« (1922). Vollständig bereinigt wurde das Terrain 1927, als Alfred Hugenberg die Ufa übernahm. Die DLG war nun Teil der Ufa, vor allem für propagandistische Erbauung zuständig.

Cineastische Verbrechen

Die große Zeit der Ufa aber hatte schon vorher begonnen: mit ihrer Privatisierung 1921 und der Einrichtung der großen Studios in Babelsberg und Tempelhof. Erich Pommer wurde das teutonische Pendant eines Studio-Moguls, und da man sich nun auf einem Weltmarkt behaupten musste, leistete man sich künstlerische und inhaltliche Freiheiten. Aber dieser Markt, und besonders die Übermacht des amerikanischen Films, brachten die Ufa dann auch wieder an den Rand des Ruins – allein Fritz Langs Prestigeproduktionen Die Nibelungen und Metropolis überdehnten das System. Nach der Übernahme durch Hugenberg und der Ablösung von Erich Pommer im Jahr 1928 entfaltete sich die zweite, die Tonfilm-Blüte der Ufa, für die internationale Erfolge wie DER BLAUE ENGEL, DIE DREI VON DER TANKSTELLEoder »DER KONGRESS TANZT« stehen. Zugleich aber wirkte in der Ufa der deutschnationale und schließlich faschistische Geist des Alfred Hugenberg, der nach der »Machtergreifung« zum Reichswirtschaftsminister ernannt wurde und »seine« Ufa gar zu gern in den Dienst von Propagandaminister Goebbels stellte. Blitzschnell entledigte man sich aller jüdischen Mitarbeiter, aber seine Willfährigkeit nutzte Hugenberg nicht: 1937 wurde er gezwungen, seine Anteile zu verkaufen, und die Ufa wurde verstaatlicht.

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Wieder errichtete man ein protektionistisches Umfeld für ein De-Facto-Monopol, in dem sich wirtschaftliche und politische Interessen trafen. Der nationalsozialistische Angriffskrieg verschaffte dem Regime immer neue Märkte, und natürlich stieg in den Kriegszeiten neben dem Bedarf an Propaganda auch der nach Ablenkung. 1942 wurden alle noch existierenden Produktionseinheiten, darunter die Bavaria Film, die Berlin-Film, die Terra Film, die Tobis AG, die Prag-Film und die Wien-Film, unter dem Dach der Ufa-Film GmbH unter die Leitung eines »Reichsfilmintendanten« gestellt. Die beiden Inhaber dieses Postens, Fritz Hippler und ab 1944 Hans Hinkel, standen für die größten cineastischen Verbrechen; Hippler produzierte »DER EWIGE JUDE« (1940), Hinkel kam vom »Sonderreferat Hinkel – Judenfragen« in Goebbels’ Ministerium und beendete die Phase der geschützten Zone Ufa, indem er alle wehrfähigen Mitarbeiter in den »Volkssturm« zwang.

Nach Kriegsende wurde die Ufa zerschlagen. In Ostberlin entstand sehr rasch die DEFA, während im Westen die Neuformung der Filmindustrie zunächst in kleineren Einheiten stattfand. Wieder war es die Deutsche Bank, die maßgeblich an einer Wiederbelebung als Universum-Film AG beteiligt war. Bis 1961 entstanden neue »Ufa-Filme«, darunter Arbeiten von Helmut Käutner und Wolfgang Liebeneiner. Man könnte diese Phase als kurzen Boom eines demokratischen Neo-Ufa-Stils ansehen, einschließlich einiger Versuche – wie Käutners »SCHWARZER KIES« (1961) –, sich vom Schatten zu befreien. Nach der neuerlichen Krise des Unternehmens übernahm der Bertelsmann-Konzern im Jahr 1964 die Ufa, deren Schwerpunkt sich in den Bereich des Fernsehens ausdehnte. In den neunziger Jahren hatte sich das Unternehmen wieder zu einem nun weltweit agierenden Player entwickelt. Der neue Ufa-Stil war marktorientiert, medienübergreifend, seriell und offen. Ein Stil war und ist es gleichwohl. Seit 2013 steht die Ufa GmbH über den Produktionsbereichen Ufa Fiction, Ufa Serial Drama und Ufa Show & Factual. Ein zentrales Unternehmen mit peripheren Produktionseinheiten, wie vordem. Zum vierten Mal ist eine Parallelwelt made in Germany entstanden, für die aktuell der Name Nico Hofmann stehen mag. Vielleicht fehlt uns derzeit noch der historische Abstand. Und doch dürfen wir vermuten, dass sich in der vierten Ufa-Welt so sehr politische und wirtschaftliche Interessen bündeln wie in denen zuvor.

Nicht totzukriegen

Zweifellos gab und gibt es so etwas wie einen Ufa-Stil: Der ist zählebig und arbeitet auch im Unterbewusstsein von Autoren, Regisseuren und Produzenten. So erinnert sich etwa Kurt Maetzig, einer der Mitgründer der DEFA-Produktion, wie er in seinem ersten Spielfilm eigentlich ein Gegenbild erzeugen wollte: »Und doch gab es de facto Anknüpfung an Ufa-Traditionen. Sie zeigte sich zum Beispiel in den künstlerischen Ausdrucksmitteln meines ersten Spielfilms »EHE IM SCHATTEN«, die diesen Film trotz geistiger Distanzierung und trotz allen inhaltlichen Gegensatzes in seinem Erscheinungsbild einem Ufa-Film ähnlich machten.«

Maetzig macht den Ufa-Stil zunächst an technischen Sonderheiten fest. Die idealisierende Kameraarbeit. Eine mildernde Lichtsetzung. Die symbolische Überhöhung und Verschmelzung der Landschaft und der Dekors. Ein Schauspielstil, der auf Künstlichkeit setzt. Ein Glamour-Faktor, der nie die Grenze zur Exaltation überschreitet. Ein Montagestil der flüssigen, gar »schmierigen« Übergänge – Anti-Eisenstein schlechthin, aber genauso weit entfernt von den poetischen Übergängen des Magischen Realismus aus Frankreich. Eine Mid-Tempo-Erzählung, die mitreißt, ohne Dringlichkeit zu erzeugen. Und schließlich drei mythische Grundmodelle: das Glück der Bescheidenheit in der Komödie, Todessehnsucht und Opfergang im Drama, para-kolonialistische Politisierung des Abenteuers.

Maetzig nennt noch etwas anderes als maßgeblich für die Entwicklung eines Ufa-Stils: die wirtschaftlich-organisatorische Seite. In all ihren Phasen strebte und strebt die Ufa eine »geschlossene« Welt an, in der feste Mitarbeiter und Showrunner die verschiedenen Temperamente zügeln, eine Organisation in Produktionsgruppen, die sich auf synergetische Effekte beziehen lassen. Anders gesagt: Die Ufa-Ästhetik ist so wenig vom politischen Interesse wie von der wirtschaftlichen Organisation zu trennen. Die Organisationsstruktur ist zugleich für den Wettbewerb vorteilhaft und hat ihre Tücken. Denn auf der einen Seite kann man damit verschiedene Ansprüche und Märkte bedienen, auf der anderen Seite aber kann sich auch kaum Innovation entfalten. Das neue deutsche Kino der sechziger und siebziger Jahre schien zunächst ein rabiates Anti-Ufa-Kino zu werden – und was ist daraus geworden?

Nimmt man dazu den Einfluss der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten und eine Filmförderung, die wir nicht wirklich mehr unabhängig nennen können, lässt sich zweifellos von einem Neo-Ufa-Stil des deutschen Films sprechen, der allerdings nicht auf die Ufa Film GmbH und ihre Produktionen beschränkt ist. Und wieder ließe sich der Neo-Ufa-Stil zugleich auf technische Eigenheiten, dramaturgische Codes wie auf Inhalte beziehen.

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Die Technik der Repräsentation reduziert sich einmal mehr auf die leichte Überhöhung und schon mehr als leichte Künstlichkeit in Schauspiel und Dekoration, Licht und Kameraführung. In Bezug auf die Figuren könnte man den Ufa-Stil recht genau beschreiben als eine Gleichzeitigkeit von Entrückung und Intimisierung. Die Menschen sollen in ihrer Erscheinung nicht echt, aber trotzdem menschlich wirken; die Wahrheit ist hier die geteilte Illusion. Eine De-Illusionierung wie beim amerikanischen Ernst Lubitsch, beim klassischen Jerry Lewis oder gar bei den Marx Brothers findet im Ufa-Stil unter keinen Umständen statt. Das Komische ist stets dazu da, den Alltag zu überzuckern, keineswegs ihn zu überschreiten. Das Kino als Rückzugsraum darf sich nicht infrage stellen. Geschichten werden erzählt, um die Gültigkeit des eigenen Abbildungscodes zu belegen. Es entsteht eine audiovisuelle Tautologie, die das Kino aus einem Abenteuer- in einen Trostplatz verwandelt.

Eben das macht das Vergnügen am Ufa-Stil aus: dass wir einen etwas muffigen, aber sicheren Raum betreten, dass wir Menschen begegnen, die uns sehr nahekommen, ohne viel von uns zu fordern. Es ist die hohe Kunst von Schauspielern wie Heinz Rühmann oder Hans Moser gewesen, ihr Publikum emotional anzurühren bei gleichzeitiger Beteuerung, dass nichts an ihnen oder um sie herum sein muss oder zum Handeln herausfordert. Das andere Extrem des Ufa-Stils liegt in der Hysterie, sei’s die einer Marika Rökk oder die eines Willy Fritsch, und einer Mischung aus Depression und Todessehnsucht, die durch semantische Rückkopplung ungefährlich gemacht wird. Man ist außerhalb im Intimen, gebadet in hoch kontrollierter Empathie, zum Glauben bereit – weder zu tätiger Solidarität in Brechts Sinn, noch zu einer revolutionären oder spirituellen Empörung wie im »transzendentalen Stil«, noch zum Empfinden von Mitmenschlichkeit wie im Neorealismus aufgefordert. In diesem Kino ist man gut aufgehoben und kann in die Wirklichkeit zurückkehren, um weiterzumachen.

UFA-Stil und Neo-UFA

Der Ufa-Stil ist nicht per se faschistisch, wie man im Zorn der Abgrenzung argwöhnen kann; viele seiner Meister waren Antifaschisten, wurden Opfer des Regimes, mussten emigrieren wie Erich Pommer, verloren ihre Arbeitsmöglichkeiten. Und in der Nachkriegszeit gab es im Osten wie im Westen Versuche, kritische Sujets im Ufa- oder Neo-Ufa-Stil zu vermitteln (natürlich hätte man das nicht so genannt). Aber das kann kaum gelingen, denn auch jenseits der propagandistischen Füllung kann man den Ufa-Stil als antimodern und antiaufklärerisch bezeichnen. Man könnte sagen: Die »Heiligkeit« des Ufa-Stils besteht nicht in einem »so war es«, sondern in einem »so wollen wir es uns erzählen«. Der Ufa-Stil ist bemerkenswert immun gegen Kritik, und gleichzeitig erscheinen seine Protagonisten stets hochsensibel gegenüber jeder Fragestellung. Das Wesen des Ufa-Stils ist es, Wärme zu erzeugen.

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Auch der Neo-Ufa-Stil verweigert sich strikt den Methoden der künstlerischen Moderne: Man akzeptiert keine Verfremdungseffekte, keine Abstraktion. Alle Personen folgen einer gleichbleibenden mittelständisch-gegenwärtigen Logik von Diskurs und Gefühl. Die Menschen haben Probleme, gewiss. Aber sie haben sich zweifelsfrei, sie bieten Identität als Trost. Als Realismus wird hier eine konstante Analogie zur wirklichen Welt verstanden, in der sich Menschen menschlich und Automobile automobilistisch verhalten, und in der Menschen und ihre Umwelt eine perfekte Einheit bilden, sodass man das eine durch das andere als selbstverständlich wahrnimmt. Dies also ist ein weiteres Vergnügen in Ufa-Filmen und in Filmen im Ufa-Stil, dass sich Menschen niemals fremd in ihrer Umwelt finden, es sei denn, ein dickes »fremd« steht im Drehbuch. Alle Ausbrüche sind im Ufa-Stil kontrolliert, daher gibt es hier auch nicht die Feier der puren kinetischen Energie wie im Slapstick oder in der Action, denn jedes Handeln ist im Ufa-Stil zugleich Bedeutung, und jede Aktion ist zugleich ihre Erklärung. Im Ufa-Stil ist man als Zuschauer stets auf der Höhe der Erzählung.

Das bringt mit sich, dass der Ufa-Stil sehr gesprächig ist, wenn nicht geschwätzig. (Wir vergessen dabei nicht, dass nicht alle Filme, die die Ufa produzierte, auch im Ufa-Stil gedreht wurden; F. W. Murnau etwa konnte wundersam aufs Verbale verzichten.) Die Hollywood-Maxime, dass im Film nie etwas erzählt werden soll, wenn es gezeigt werden kann, gilt hier nicht, denn die Grenzen des zu Zeigenden sind viel enger gezogen. Dazu gehört auch die assoziative Schnitttechnik. Jemand spricht von einem Koffer, und in der nächsten Einstellung ist ein Koffer zu sehen. Der Ufa-Stil ist hierarchisch; vieles von dem, was gleichberechtigtes Ausdrucksmittel sein kann, ist auf das Handwerklich-Dienende reduziert. Das Drehbuch ist die Welt. Alles jedenfalls spricht im Ufa-Stil davon, dass die Welt vielleicht nicht heil ist, aber unbedingt ganz. Entscheidend für den Erfolg indes ist: Ufa-Stil wie Neo-Ufa-Stil sind weniger Anti-Hollywood-Stil als vielmehr reduzierter und trans­formierter Hollywood-Stil, sodass man es stets mit Überschneidungen und Übernahmen zu tun hat. Nicht nur in Remakes hat Hollywood auch vom Ufa-Stil profitiert. Joe May oder Erik Charell zum Beispiel drehten im amerikanischen Exil Filme, die genauso aussahen wie ihre Ufa-Filme.

In Zeichen eingesperrt

Es gibt im Ufa-Stil eine Vorliebe für Halböffentlichkeit oder Halb-Intimität, für Hotels, Revuen, Büros, offene Großbürgerhaushalte. Im Wesentlichen ist der Ufa-Film ein Indoor-Geschehen; Landschaften sind ihm viel zu suggestiv und uneindeutig. Und selbst dort, wo man in der Nachfolge der Bergfilmer Fanck und Riefenstahl oder in propagandistischer Absicht Landschaft verwendet, muss sie einerseits in ihre Symbolkraft eingeschlossen werden und andererseits stets wieder zum geschlossenen Raum führen. Deshalb ist es wohl zugleich richtig – in der Kontinuität von Autoren und Motiven – und falsch, davon zu sprechen, der bundesdeutsche Heimatfilm sei »im besten Ufa-Stil« inszeniert. Das ideale Publikum des Ufa-Stils war und ist das urbane Kleinbürgertum, das in der Natur immer nur ein Anderes sehen kann, das es zu unterwerfen gilt.

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Der Ufa-Stil geht von einer vollkommenen Einheit des visuellen und des literarischen Codes aus. Es wird, im schlimmsten Fall, nichts abgebildet, was nicht auch benannt wird, und nichts benannt, was nicht auch Bild wird. Diese Einheit von visuellem und sprachlichem Code macht natürlich einen hohen Reiz des Künstlichen aus, was zu einer Analogie von Film und bürgerlichem Theater führt. Im Ufa-Stil wird jedes Setting daraufhin geprüft, ob es sich zur Bühne eignet; der Aktionsraum, der Bildraum und der Kommunikationsraum werden zur Deckung gebracht. Ein Telefongespräch in einem Ufa-Film funktioniert nur durch den Gegenschnitt; unterbleibt ein solcher, wie in klassischen Hans Moser- oder Theo Lingen-Szenen, so ist die komische kommunikative Katastrophe vorgegeben. Missverständnisse entstehen dort, wo man sich nicht sieht oder hört; im Offensichtlichen ist nie etwas verborgen, im Verborgenen nie etwas offensichtlich. Die Welt ist in ihre Zeichen eingesperrt. Eine fundamentale Kritik könnte lauten: Im Ufa-Stil gibt es keine Natur. Ebenso könnte man indes behaupten: Im Ufa-Stil gibt es keine Kultur. Was es stattdessen gibt, ist das Schicksal. Im Ufa-Stil müssen Menschen gefälligst ihr Schicksal erleiden. ­Damit sind sie und das Publikum allerdings immer auch fein heraus.

Die Kamera zeigt. Sie sucht nicht, sie entdeckt nicht. Unausgeleuchtete Winkel gibt es nicht in der Normalität des Ufa-Stils. Man kommt nie in die Versuchung, seinen Augen nicht zu trauen. Der Ufa-Stil will immer musterhaft sein. Bis zu einem gewissen Grad könnte man wohl sagen, die Behandlung von Zeit und Raum im Ufa-Stil sei »kindlich« – es ist eine Welt, die sich nur in ihrer Überschaubarkeit offenbart. Blick und Bild dulden keinen Widerspruch zueinander; Bezeichnung und Bezeichnetes ergeben sich nicht, sondern setzen einander. Dieses Setzen geschieht in der Form, wie es in einer Fibel geschieht. Dies ist ein Haus. Dies ist ein Telefon. Um es auf die Spitze zu treiben: Der reine Ufa-Stil geht nicht von Erfahrungen, sondern von Voraussetzungen aus. Es kommt, wie es kommen muss. Oder, und hier beginnen sich Ästhetik und Ideologie zu bedingen: der Ufa-Stil geht vom Einverständnis aus. Aus dem Einverständnis mit der filmischen Sprache entwickelt sich das Einverständnis mit dem filmisch Gesprochenen. Das Einverständnis mit dem Code wird zum Einverständnis mit den Verhältnissen.

Natürlich wird der Neo-Ufa-Stil genau dort nicht nur langweilig, sondern auch gefährlich, wo er sich auf die eigene Geschichte bezieht. Die abscheulichste Erscheinung des Neo-Ufa-Stils sind die nationalen Feelgood-Movies, in denen Vergangenheit geschönt, bereinigt und symbolisch »vermenschlicht« wird, komplett mit Ufa-Beleuchtung, Ufa-Schauspiel, Ufa-Dramaturgie. Als tautologisches Schicksalsspiel, als Codierung von Identität, in den Diskursen von Opfer, Bescheidenheit und kontrollierter Emotion.

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Der leichte Ufa-Stil lässt sich möglicherweise auch beschreiben als eine Herrschaft des Handwerks über die Kunst. Den Verwaltern und Protagonisten des Neo-Ufa-Stils ist um keinen Preis zu vermitteln, dass ein Film auch dann gut sein kann, wenn er nicht zuerst handwerklich gelungen ist. Dieses handwerkliche Gelingen freilich ist gar kein rein technischer, sondern ein ideologischer Maßstab. Er orientiert sich einerseits an einem Realismusbegriff, der in anderen Kunstformen längst überwunden ist, aber andererseits auch an einem Make-Believe, das weniger die perfekte denn die akzeptierte Illusion als Abbildungsmaßstab zulässt. Selbst die wenigen guten Beispiele deutscher Filme, die auch international erfolgreich sind, stellen eher ein Ausreizen als ein Überschreiten des Neo-Ufa-Stils dar. Vielleicht ist uns diese Verbindung aus Retro-Realismus und Repräsentationsästhetik so vertraut durch die Kinogeschichte und unseren medialen Alltag, dass uns etwas anderes kaum noch in den Sinn kommt.

Natürlich ist der Ufa-Stil heute eher ein dispositives Gespenst, eine Art Geschmacks-Mainstreaming, das sich indirekt an Produktionseinheiten binden lässt; die mediale Vervielfältigung lässt eine institutionelle Fixierung des Ufa-Stils gewiss nicht mehr zu. Um so wirkmächtiger indes ist die »verflüssigte« Form des Ufa-Stils, der unsere audiovisuellen Leitmedien in der nationalen Produktion fester im Griff hat als zuvor. Vielleicht müssen wir ihn noch besser verstehen, den Ufa-Stil, bevor wir darangehen können, seine Vorherrschaft infrage zu stellen.

Georg Seeßlen | epd-film 11/17

Bild ganz oben: DER HEILIGE BERG (Regie: Arnold Fanck | UFA | 1926)

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