Gemachte Frauen
Ein „Frauenregisseur“ in Hollywood, was mag das schon sein? Einer, der lieber von Frauen erzählt, die sich befreien, als von Männern, die sich totschießen? Einer, der die Kamera dort hin stellt, wo sie möglicherweise normalerweise nur mehr oder weniger lüstern späht, in die weiblichen Räumen und Sphären der sozialen Architektur? Einer, der es gar schafft, einen Film ganz ohne Männer zu drehen und ihn einfach „The Women“ nennt? Ein Regisseur von Filmen, in deren Titeln immer irgendeine Woman, irgendein Girl oder irgendeine Lady auftaucht, „von „Tarnished Lady“ über „Two-Faced Woman“ bis „Les Girls“? Oder auch einer, der Licht und Farben, Schnitt und Ton in so sanften Wellen gestaltet, als wäre die Filmkamera ein Schneider, der den Körpern der Frauen eine zweite Haut verpassen will. Als wollte er dienend und eifernd „herausholen“, was verborgen in ihnen steckt, an Schönheit und Selbstbewusstsein. Vielleicht hat so ein Kerl auch einfach einen ausgemachten Pygmalion-Komplex. Einer, der sich nicht nur eine Frau, sondern eine ganze weibliche Hälfte der Welt erfindet.
George Cukor (1899 bis 1983), der Screwball-Comedies (wie „Die Nacht vor der Hochzeit“), Musicals (wie „Les Girls“), Thriller (wie „Das Haus der Lady Asquith“), Melodramen (wie „Die Frau mit der Narbe“) gedreht hat, erzählt meistens die gleiche Geschichte: Wie eine Frau gemacht wird, durch die Hilfe eines Mannes, der aber dann, wenn die Fair Lady ganz zu sich gekommen, und ein Star geboren ist, mehr oder weniger freiwillig einen Schritt zurück tritt. Nicht einmal einen Western („Die Dame und der Killer“) konnte Cukor drehen, ohne die Hauptrolle einer schönen Frau zu geben, Sophia Loren als Star im größten Theater des Westens. Es war wohl Cukors eigene queerness, die sich in diesem Geschlechterspiel realisierte. Von Männern, die sich ein weibliches Abbild schufen.
Die gemachten Frauen des George Cukor können eigentlich nichts wirklich anderes werden als wiederum Darstellerinnen ihrer selbst, entweder als Schauspielerinnen, Tänzerinnen oder Sängerinnen, oder als Damen der Gesellschaft. Viele von ihnen, insbesondere Judy Holliday in den Filmen „Die ist nicht von gestern“ oder „Die unglaubliche Geschichte der Gladys Glover“ oder Audrey Hepburn in „My Fair Lady“, sind erst einmal kindlich naive, um nicht zu sagen kreuzdoofe Geschöpfe, in die sich aus eher weniger erfindlichen Gründen ein „intellektueller“ Mann verliebt, Jack Lemmon als Dokumentarfilmer, William Holden als Journalist voller politisch-aufklärerischem Pathos. Rex Harrison als Professor. Sogar Katherine Hepburn ist anfänglich bei Cukor einer dieser sonderbaren „unbeschriebenen Blätter“, die in „Sylvia Scarlett“ sogar durch einen crossdressing- Phase gehen muss, um schließlich zur „echten Frau“ wachgeküsst zu werden.
Nein, das „Frauenbild“ des George Cukor ist in die Moderne nicht zu retten, und je näher man sich seine Filme auf der Plot- und Dialog-Ebene ansieht, desto schrecklicher mögen sie einem erscheinen. Es geht offenbar nicht so sehr um eine „Emanzipation“ als vielmehr um eine Amerikanisierung der Frauen, und umgekehrt scheint, nicht nur in so offensichtlichen Filmen wie „Wild ist der Wind“ (die Amerikanisierung der Anna Magnani), die Frau ein Medium der Amerikanisierung. Judy Holliday, in „Die ist nicht von gestern“, geht nach Washington und wird von der Gangsterbraut zur Verfassungspatriotin umgebaut, und Katherine Hepburn und Spencer Tracy in ihren Cukor-Filmen tragen immer auch Kämpfe um die Seele Amerikas aus.
George Cukor hat keinen cineastischen Machismo, und er macht den weiblichen Körper nicht in der gewohnten Weise zum Fetisch für die Kamera. Es geht hier nicht um Begehren, sondern um Projektion. Sein stilistisches Bekenntnis war sehr einfach: „Ich mag es, mich auf die Gesichter der Schauspieler zu konzentrieren“. Cukor ist offensichtlich noch stets so verliebt in seine Schöpfungen, dass er ihnen ungewohnten Spielraum gibt. Und wir sehen wie sie ihn nutzen, Greta Garbo, Ingrid Bergman, Judy Garland, Katherine Hepburn, Judy Holliday, Audrey Hepburn, Marilyn. Sie konnten komischer sein als bei anderen Regisseuren. Und da war noch etwas. Etwas, das hinter der Oberfläche der Genres und der Plot-Formeln liegt. Das Gefängnis, die Ausbeutung, die Beklemmung. Ein Schmerz, der nicht vergehen will, auch nicht, wenn die Frauen sich gemacht haben. Geliebt wird eigentlich nicht wirklich in George Cukors Filmen.
Georg Seeßlen, DIE ZEIT 20.04.2013 Nr. 18
Bild rechts: George Cukor at home in Los Angeles CC BY-SA 3.0: Own work Allan warren
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