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Warner Bros has released an ultimate 35-film Clint Eastwood retrospective touted as the largest ever DVD box set featuring a single artist. Clint Eastwood: 35 Films, 35 Years at Warner Bros. contains 19-discs (16 of which are double-sided) containing 34 Warner Bros films that Eastwood either headlined and/or directed. The 35th “film” included is Eastwood Factor, a feature documentary film by critic/historian Richard Schickel. The box set also includes a 24-page extract of Schickel’s upcoming book Clint: A Retrospective.


Clint Eastwood ist der letzte große Klassiker des amerikanischen Films (von Georg Seeßlen)

Der Kerl hat eine Karriere hingelegt, die ihm niemand in der Traumfabrik nachmachen wird: Clint Eastwood begann als Cowboy-Darsteller aus der zweiten Reihe, in der Serie „Rawhide“, Typ schlaksiger Heißsporn, der von den erfahrenen Männern des großen Viehtriebs noch zurechtgebogen werden musste. (Damals pflegten Cowboyserien immer sehr erzieherisch zu sein.) Er hatte ein offenes, freundliches Gesicht, war sportlich und zuvorkommend und sah aus, wie man sich einen netten jungen Nachbarn vorstellt, der einem schon mal hilft, den Rasen zu mähen.

Dann ging Eastwood in einer Drehpause nach Europa. In Italien drehte man zu dieser Zeit billige, schmutzige, gewalttätige und manchmal auch höllisch komische „Western“. In einigen von ihnen trat Eastwood als stoppelbärtiger, Zigarillos paffender und tückischer Westerner auf, der nicht nur vom Äußeren her so gar nichts mit dem athletischen, sauberen und herzensguten Cowboy aus „Rawhide“ und ähnlichen erbaulichen Serien aus Amerika zu tun hatte. Er hatte, genauer gesagt, ein verschlossenes, unfreundliches Gesicht, war heruntergekommen und egoistisch und sah aus, wie man sich einen Kerl vorstellt, der es sich zweimal überlegt, ob er einem Verdurstenden einen Schluck Wasser gibt. Als Clint Eastwood nachhause zurückkehrte, um seine gewohnte Arbeit wieder aufzunehmen, bemerkte er zunächst gar nicht, was sich geändert hatte. Er war in Übersee, wie man so sagt, über Nacht zum Star geworden. Der Regisseur Sergio Leone hatte mit ihm einen vollkommen neuen Western-Mythos kreiert, einen Kerl im Poncho, der listig seine Gegner gegeneinander ausspielte und im entscheidenden Moment zu dem einen oder anderen faulen Trick griff, an den seine Western-Vorfahren zwischen John Wayne und James Stewart nie gedacht hätten. Dass der erste Film der berühmten „Dollar-Trilogie“ nach einem japanischen Vorbild entstand, Akira Kurosawas „Der Leibwächter“, hat nicht allein mit einem für das Genre typischen kreativen Ideenklau zu tun (später erzählte man Homer, Shakespeare und sogar Dostojewski als Italowestern nach); dieser neue Western-Typ entsprach eher dem „Ronin“, dem herren- und heimatlos gewordenen Samurai als dem traditionellen Pionier des amerikanischen Westens. Und der Schauspielstil, den Sergio Leone von Clint Eastwood dafür verlangte, das beste „dead pan“-Acting seit Buster Keaton, war dafür ideal.

Der amerikanische Regisseur Don Siegel übernahm es, diesen Typus aus dem Niemandsland des italienischen Westerns in den Dschungel der modernen Großstadt zu verfrachten – auf der Seite des Gesetzes diesmal, aber kämpfend mit Mitteln, die kein Gesetz decken würde: In „Coogans Bluff“ kam Eastwood als Provinzsheriff in die Großstadt, und im nächsten Film schuf Don Siegel in Eastwoods Gestalt einen weiteren archetypischen Helden: „Dirty Harry“; ein Cop, der Schurken lieber gleich erschießt als sie zu verhaften, der beinahe alles und jeden hasst, und dem für ein Privatleben schon lang keine Zeit und keine Gelegenheit mehr bleibt. Einen „schießwütigen Selbstjustizler“, den typischen „Yankee-Brutalo“ hat man Dirty Harry genannt, aber auch einen „Rechtsanarchisten“ oder gar einen „Barfußpolizisten“, einen einsamen Rächer des Asphaltdschungels und nicht zuletzt einen kranken Helden der blutigen Poesie. Nun ja, jedenfalls war Dirty Harry so zeitgemäß, wie es zuvor der „Fremde ohne Namen“ im italienischen Western war.

Dirty Harry war das Schreckbild aller liberalen Kritiker und Pädagogen, vielleicht auch, weil sie die Haltung des Films und seiner Macher mit der Haltung dieses fragwürdigen Helden verwechselten. Dass man vor einem Mann wie Dirty Harry Calahan auch erschrecken muss, ja, dass er sogar manchmal vor sich selber erschrickt, das übersah man in einer Zeit, in der neben Dirty Harry Charles Bronson auf der Leinwand begeisterte, wie er in der „Ein Mann sieht rot“-Serie mit dem Abschaum der New Yorker City aufräumt. Die Selbstjustiz und die kalte Gewalt der Rache, das waren die Themen des Actionfilms in den 1970er Jahren, und Clint Eastwood schien dafür genau der Richtige. Aber anders als seine Kollegen weigerte er sich beharrlich, zum eigenen Klischee zu werden.

Eastwood also war nun ein Star im amerikanischen Kino, aber man konnte bestimmt nicht sagen, dass er „everybody’s darling“ geworden wäre. Aus dem braven Cowboy war über den Umweg Italien ein neurotischer Gewalttäter auf der Leinwand geworden. Und die Western, die Eastwood neben seinen Großstadt-Gewaltfilmen drehte, hatten alle etwas Gespenstisches und Unversöhnliches an sich. Clint Eastwood, das war einerseits die neueste Variante der amerikanischen Männlichkeit: stoisch, unabhängig, selbstsicher, cool as hell, gewaltbereit und sexy. Aber andrerseits war er auch eine moderne Figur aus Zynismus, Selbstzweifel, Verbitterung und Abgründigkeit. Eine brisante Mischung.

Anders als Humphrey Bogart verwechselte sich Clint Eastwood nie mit Clint Eastwood. Im Gegenteil. Er begann, diese beiden Figuren, den einsamen Westerner, der keine Heimat mehr finden konnte im verheißenden Land, und den zynischen Großstadt-Cop, der seinen Feinden immer ähnlicher wird, immer genauer zu untersuchen, seine verborgene Menschlichkeit zu entdecken, seine Ängste zu erklären, seine Grenzen aufzuzeigen. Wenn man es pathetisch ausdrücken will: Die Kunst des Clint Eastwood als Regisseur wie als Schauspieler besteht darin, den Mythos Clint Eastwood und die dazugehörigen Legenden zu „dekonstruieren“.

Nebenbei konnte Eastwood auch durchaus komisch sein; zwischen seinen großen Filmen und auch dem einen oder anderen eher belanglosen Actionspektakel zeigte er sich in Filmen wie „Der Mann aus San Fernando“, „Pink Cadillac“, „Broncho Billy“ oder „Der Bulle und der Schnüffler“ unerwartet entspannt und selbstironisch. Der Mann kennt seine Ausstrahlung, und er kann sich wunderbar darüber lustig machen.

Mit „Play Misty For Me“, einem kleinen aber durchaus wirkungsvollen Thriller, der bei uns den bizarren Titel „Sadistico“ erhielt, begann der Regisseur Eastwood seine Arbeit. Eine eigene Produktionsfirma sichert ihm die Unabhängigkeit; sie heißt „Malpaso“, das ist der mexikanische Ausdruck für „Fehltritt“. Vielleicht hat das geholfen: Viele große Fehler hat Eastwood als Darsteller, Regisseur und Produzent nicht gemacht. Immer wieder verbeugte er sich vor seinen beiden großen Lehrmeistern, Sergio Leone und Don Siegel, aber zugleich knüpfte er in seinen Genrefilmen auch an die großen Traditionen des amerikanischen Kinos an. Während das Kino ringsum zum Effektgewitter und zum postmodernen Zitatenspiel wurde, während die Blockbuster eher Formeln als Genres anwandten, Remakes, Sequels und Remakes von Sequels aufeinander folgten, pflegte der Regisseur Clint Eastwood eine ur-amerikanische Tugend: das Geschichtenerzählen. Geschichtenerzählen mit glaubwürdigen Figuren. Die sich Zeit lassen, sie kennenzulernen. Die aber keine Umwege nehmen; Eastwood erzählt geradeaus aber genau.

Nicht alle Filme von und mit Clint Eastwood sind Meisterwerke geworden. Aber es gibt ein paar Eastwood-Filme aus sehr verschiedenen Genres, ohne die die Geschichte des amerikanischen Films verdammt viel ärmer wäre: Die Dramen „Die Brücken am Fluss“ und „Million Dollar Baby“, das Psycho-Thrillerspiel in „Mitternacht im Garten von Gut und Böse“, das Außenseiter-Drama „Perfect World“ (nie war Kevin Costner so gut wie hier), der späte Western „Unforgiven“ und schließlich die beiden Kriegsfilme „Flags Of Our Fathers“ und „Letters From Iwo Jima“. Eastwood erzählt da immer die klassischen Geschichten auf eine neue Art. Er schaut genauer hin, er vermeidet alle Klischees, auch das Klischee „Clint Eastwood“.

Dabei haben fast alle Eastwood-Filme durchaus einen biografischen Touch. Eastwood schaut seinen Figuren auch beim Älterwerden zu, unbestechlich, wie es seine Art ist. Er schaut ihnen bei Niederlagen zu, und dabei, wie sie etwas lernen. Das geht nicht so wie in Serienlektionen einer Cowboy-Serie wie „Rawhide“, sondern vielleicht so wie in seinem Film „Weißer Jäger, schwarzes Herz“, wo Eastwood einen Filmregisseur spielt, der ziemlich deutlich die Charakterzüge von John Huston zeigt. In Afrika denkt er weniger an seinen neuen Film als daran, einen Elefanten zu schießen. Mehr als ein Verbrechen, eine Sünde ist es, das weiß er selber nur zu gut. Und als er endlich das gewaltige Tier vor der Flinte hat, da kann er nicht schießen. Aber dieser Augenblick der Gnade kostet seinen Begleiter das Leben. All das spielt sich in gerade einmal fünf Minuten ab. Der Rest des Films ist nichts als sorgfältige Vorbereitung auf diesen Moment. Und er ist keine Sekunde langweilig. Das macht den beiden niemand nach, dem Regisseur und dem Schauspieler Eastwood.

Seit dem mit Oscars reichlich bedachten Western „Unforgiven“ ist Eastwood wohl auch in den Augen der strengsten Kritiker zum letzten Klassiker des amerikanischen Genrekinos geworden. Filme wie „Million Dollar Baby“ und „Flags Of Our Fathers“ sind die großen amerikanischen Erzählungen, die es auf der Leinwand so selten gibt. Mark Twain, Herman Melville, Carson McCullers, Philip Roth scheinen da ihre Spuren hinterlassen zu haben. Die kompliziertesten Verhältnisse werden in Bildern und Handlungen sichtbar. Dieser Regisseur beherrscht die größte aller Tugenden des Filmens: die Einfachheit.

Autor: Georg Seeßlen

Text: veröffentlicht im filmspiegel 06/ 2007

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1. Where Eagles Dare, 1968

2. Kelly’s Heroes, 1970

3. Dirty Harry, 1971

4. Magnum Force, 1973

5. The Enforcer, 1975

6. The Outlaw Josey Wales, 1976

7. The Gauntlet, 1977

8. Every Which Way but Loose, 1978

9. Bronco Billy, 1980

10. Any Which Way You Can, 1980

11. Honkytonk Man, 1982

12. Firefox, 1982

13. Sudden Impact, 1983

14. City Heat, 1984

15. Tightrope, 1984

16. Pale Rider, 1985

17. Heartbreak Ridge, 1986

18. Bird, 1988

19. The Dead Pool, 1988

20. Pink Cadillac, 1989

21. White Hunter, Black Heart, 1990

22. The Rookie, 1990

23. Unforgiven, 1992

24. A Perfect World, 1993

25. The Bridges of Madison County, 1995   mehr lesen…

26. Absolute Power, 1997

27. Midnight in the Garden of Good and Evil, 1997

28. True Crime, 1999

29. Space Cowboys, 2000   mehr lesen…

30. Blood Work, 2002

31. Mystic River, 2003   mehr lesen…

32. Million Dollar Baby, 2004

33. Letters from Iwo Jima, 2006   mehr lesen…

34. Gran Torino, 2008    mehr lesen…

35. The Eastwood Factor. 2009