Weibliche Stars im Actionfilm
In der Wirtschaft und Politik sieht es mit der Frauenquote mau aus. Anders im Kino. Das beschert uns in diesem Sommer gleich eine ganze Serie weiblicher Führungsfiguren der etwas anderen Art. Nach Carrie-Anne Moss in Matrix – Reloaded kehren in diesem Monat die 3 Engel für Charlie auf die Leinwand zurück; im nächsten werden wir einen weiblichen Terminator zu sehen bekommen und Angelina Jolie, die sich durch eine neue Tomb-Raider-Folge prügelt. Hat die Emanzipation Fortschritte gemacht? Oder was hat es zu bedeuten, wenn Frauen sich so ins Zeug legen? Ein Blick auf die Inszenierung des weiblichen Körpers im Actionfilm.
Das Kino erzählt Geschichten und unternimmt Reisen. Es behandelt Zeit und Raum und entwirft eine Grammatik zwischen Subjekt und Welt. Und das Kino erklärt den Körper. Der Körper im Kino ist Maske und Physis, er will etwas ausdrücken und etwas tun. Ihn verlangt es nach emotion und motion und vor allen Dingen danach, immer wieder das eine in das andere zu verwandeln. Nach traditionellen Vorstellungen gibt es da eine klare Trennung der Geschlechter, die den seienden, zeigenden, fühlenden Körper der Frau dem handelnden, wirkenden und bewegenden Körper des Mannes gegenüberstellt.
Seit geraumer Zeit werden die alten Geschichten der alten Genres des amerikanischen Actionkinos dadurch auf- und umgewertet, dass sie mit weiblichen Helden besetzt sind. Doch der weibliche Körper, so will es in jedem Fall die Bildersprache, scheint sich in Wahrheit für die Action viel mehr zu eignen, weil ihm, sei es mangels Masse oder aus Gründen der Ikonographie, das bloße Stehenbleiben, das Sich-in-Pose-Stellen weniger liegt. Selbst die gelegentlich so tänzerisch aufwändigen Präliminarien eines Faust- oder Schwertkampfes in den Martial-Arts-Filmen fallen bei den Heldinnen des Genres weniger umständlich aus. Die „Verweiblichung“ der Action im Bewegungsbild macht mehr Schwerelosigkeit möglich; selbst Supermans Flug wirkt schwerfällig gegenüber den Bewegungen einarmiger Schwertkämpferinnen oder Terminatorinnen aus der Zukunft. Bei ihnen sind sich die normale Bewegung und die Action näher, die Bewegung ist fließender. Die ersten männlichen Actionstars, wie Douglas Fairbanks sr., bewegten sich „weiblicher“ und die Barbara Stanwyck von Vierzig Gewehre (Forty Guns, 1957) „männlicher“ als alles, wonach sich ihre Körper modelliert haben könnten. Je mehr der Körper sich in Bewegung setzt – und je weniger Pose in dieser Bewegung bleibt „, desto mehr entkommt er seiner geschlechtlichen Bannung.
Frauenkörper – Männerkörper
Das hat seine Geschichte. Der faule Trick des Männerkörpers und seiner Bewegungen war es seit jeher, sich als von Sinn erfüllt darzustellen. Er braucht eine Rechtfertigung für seine Bewegung: Er tut’s am liebsten für andere. Der Umkehrschluss: Der weibliche Körper in cinematischer Bewegung ist amoralisch. Das Mädchen wie die Frau muss sich die Bewegung aus dem Sinnsystem anmaßen. Damit beginnt eine Subgeschichte des Kinos, in der tomboys – Mädchen mit jungenhaften Zügen – und Amazonen, schöne Mörderinnen und women with a gun von sexploitation und Angstlust erzählen: im B-Film, in den Serien, vor denen uns unsere Eltern immer gewarnt haben, in Bildern, gegen die sich alles Gute sträubt.
Amazonen, tomboys, weibliche Outlaws sind in der populären Mythologie Göttinnen niederen Ranges: Nie lassen sie sich verdrängen, selten werden sie in höheren Tempeln empfangen. Und mehr als der Mann, Herkules oder nicht, sieht die bürgerliche Frau, die stationäre Göttin, auf die nomadische Diebin herab. Aber es gibt auch eine beständige Revolte. Die Kinogeschichte der Körper in Bewegung zwischen den Geschlechtern liefert seltsame Knotenpunkte: In den zehner, in den fünfziger, in den neunziger Jahren werden weibliche Körperbilder führend und mainstreamfähig, die jedoch in den Zwischenzeiten wieder in den Untergrund und die Seitenlinien verbannt wurden. Im frühen Actionfilm etwa war es der bürgerliche Frauenkörper, der in Action zu sehen war, im Dschungel, an Maschinen, reitend, fechtend, fliegend, schwimmend, der kolonialistischen und militaristischen Tendenz dieser Bewegung durchs Abenteuer aber nicht sogleich verdächtig: Bewegung, die sich nicht in Macht verwandeln will. Ganz offensichtlich gibt es eine immense Spannung zwischen der allgemeinen und der cineastischen Vorstellung von Körper und Geschlecht.
Dass Frauen die Heldenrollen in Actionfilmen übernehmen ist also keine Erfindung unserer Zeit. Es wird nur stärker vermarktet als früher. Nach und nach wurden erobert: Die Science-Fiction (in den Alien-Filmen), der Piratenfilm (Cutthroat Island), der Western (Schneller als der Tod/The Quick and the Dead, 1995), der Polizeifilm (Blue Steel) und auch der Kriegsfilm, in dem die Kelly McGillis aus Top Gun (1986) und schließlich Demi Moore in Die Akte Jane (G.I. Jane, 1997) für einen radical military chic sorgten. Die selbstbewusste Frau, die mit Fachausdrücken um sich wirft und immer irgendwie unterwegs ist, sportiv und tough, ist eine Idealfigur des Neoliberalismus, und mit seinem moralischen, spätestens aber mit seinem materiellen Scheitern musste diese Figur wieder obsolet werden. Die Akte Jane führte ans masochistische Ende der phallischen Emanzipation: Für diese Frau war, wie für viele Männer vordem, der Krieg der einzige Ausweg aus einem persönlichen Dilemma.
Piratinnen und Kriegerinnen
Doch es kam noch schlimmer: Jede Frau, die sich aus freien Stücken in den männlichen Kreislauf von Action und Gewalt begab, musste früher oder später erkennen, dass sie darin auch schuldig wurde. Daran zerbrach das Heldinnen- und Körperbild. Diese Mitschuld wird reflektiert in den Alien-Filmen oder in der Terminator-Serie: Sarah Connor ist auch insofern eine Fortsetzung von Sigourney Weavers Ripley, als sie nur als bewaffnete Mutter der Erlösung akzeptiert oder verworfen werden kann. Die Verstörung, die von der Gewalt ausgeht, reflektiert die Rolle von Jodie Foster in David Finchers Panic Room (2002), in dem sich eine alleinstehende Mutter mit ihrer pubertierenden Tochter gegen Gangster in ihrem Haus zur Wehr setzen muss. Im entscheidenden Moment muss sie nicht nur ihr Versteck verlassen, sondern ihren Körper auf eine Weise in Bewegung setzen, die vordem den weniger dramatischen Action-Heldinnen vorbehalten war. Längst geht es nicht mehr allein um die Rollenverteilung zwischen der männlichen und der weiblichen Seite, sondern auch um die Rollen auf der einen Seite.
Die zyklische Wiederkehr des female action star verweist immer auch auf die ökonomischen und ästhetischen Krisen des Bewegungsbildes: auf die Tatsache, dass das „männliche“ Körperbild beständig droht, zum Stillstand zu kommen. ER will Macht und Maschine werden. Die Antwort auf die Krise des männlichen Körperbildes im Kino sind Sonnenbrillen, Sakkos und lange Mäntel. Ein allgemeines Schwarzwerden-Wollen.
Die Frau, die die männlichen Rollen in allen traditionellen Action-Genres übernimmt, rettet – nicht immer, aber gelegentlich – zunächst einmal das Genre selbst. In den fünfziger Jahren erschienen Heldinnen, nicht zuletzt, weil die Genres nach einem neuen Maß für Bewegung und Körper suchten: in Reginald Le Borgs Western Flintenweiber (The Dalton Girls, 1957) mit Merry Anders und Penny Edwards, in Nicholas Rays Johnny Guitar (1954) mit Mercedes McCambridge und Joan Crawford, in Vierzig Gewehre mit Barbara Stanwyck oder in dem Abenteuerfilm Die Piratenkönigin (Anne of the Indies, 1951) von Jacques Tourneur mit Jean Peters. Anders als die fatalen Frauen des Film noir liebten diese Frauen die Bewegung. Sie waren sich der Wirkung ihres Bildes wohl bewusst. Aber sie wollten sich darin nicht erschöpfen. Ihre Filme nannte man „barock“ oder „manieristisch“. Jedenfalls ahnte man, dass da etwas geschah, was einer epochalen Wandlung in der Geschichte der Wahrnehmung hätte entsprechen können. Vorläufig wurde nichts daraus.
Ein vergleichbarer Fieberanfall war erst 40 Jahre später in einer neuen Krise erkennbar, und wieder ging es dabei nicht zuletzt um eine Art des barockisierenden Einschreibens neuer Bewegungslinien in die alten Bilder. Aber die politische und ökonomische Korruption der neuen Heldin war allzu offensichtlich. Sie ist, wie wir das im letzten Jahrzehnt erlebt haben, nicht zuletzt Agentin der Marktstrategie. Wenn einem keine neuen Geschichten mehr einfallen, dann kann man die alten Geschichten noch einmal mit weiblichen Akteuren erzählen. Das „Einschreiben“ der Frau, als Geschichte und Körper, in die präfabrizierten Genres und Mythen vollzog sich auf höchst unterschiedlichem Niveau. Aber so gut wie nie hätte der Traditions-Macho vor einer dieser starken Frauen Angst haben müssen. Denn sie hatten nur zwei Möglichkeiten: entweder sich vollständig in das System einzuschreiben, oder aber an ihm zu scheitern und in die angestammte Rolle zurückzukehren. Der female action star der neunziger Jahre ist der harmloseste in der Kinogeschichte. Oder vielleicht doch nur auf den ersten Blick?
Heldinnen des Alltags
Der weibliche Körper in Bewegung und als Subjekt der Gewalt war nie wirklich zum Verschwinden gebracht. Der Kampf tobt vielmehr um die Besetzung der ästhetischen und moralischen Mitte. Der female action star kann auf sehr unterschiedliche Weise marginalisiert werden: Sie wird auf die Seite des Bösen gestellt, sie wird in das B- und C-Movie verbannt, sie wird zur Karikatur oder zur bloßen Ergänzung des Helden – als Quotenfrau im Heldenteam. Schwer hatten es die Heldinnen in den siebziger Jahren, die nie über die exotische Rolle in der zweiten Reihe hinwegkamen, wie Brigitte Nielsen, Sybill Danning oder Grace Jones (die schon einmal öffentlich einen Fernseh-Moderator verprügeln musste, um ihrem Image Nachdruck zu verleihen). Schwer haben es auch die Heldinnen des Alltags: Julia Roberts, als Erin Brockovich (1999) schon im Widerspruch zwischen Erscheinung und Tat, muss sich in Mexican (2001) wieder mit der Waffe Respekt verschaffen und wirkt dabei auf denkwürdige Weise altmodisch. Noch weiter entfernt scheinen die Zeiten von Thelma & Louise (1991), die in den Gesten der Verteidigung die Waffen in die Hand nahmen und am Ende für ihr bisschen Transgression starben. Und so manche Frau, die das Zentrum der Mythologie eines Genres eroberte, hatte eine furchtbare Passion zu bestehen: Die Polizistin in Kathryn Bigelows Blue Steel (1990), dargestellt von Jamie Lee Curtis, die sich gegen ein krankes Männergespenst zur Wehr setzen muss, das sich in eine Hintertür ihrer neuen Existenz geschlichen hat; die Astronautin im Kampf mit der kategorischen Mutter-Natur, Sigourney Weaver in Alien; die Jodie Foster in Das Schweigen der Lämmer (1991), die das Grauen durch die soziale Geste übermalen will. Sie alle zeigten, auf unterschiedliche Weise, dass es so einfach nicht sein würde mit der weiblichen Übernahme einer männlichen Rolle.
Aber diese Verhältnisse gerieten dann doch ins Wanken. Eine erste Welle schien dabei mit den Martial-Arts-Filmen aus Hongkong zu kommen, in denen Frauen nicht nur zeigten, dass sie mit dem Schwert umgehen konnten, sondern auch Grenzgänge zwischen den sexuellen Rollen zelebrierten: von der einarmigen Schwertkämpferin bis zur chinesischen Kurtisane (Intimate Confessions of a Chinese Courtisan, 1972). Es sind Rachegeschichten, die diese Filme erzählen, aber auch Stellvertreter-Kämpfe um Macht und Ehre, die die Männer nicht mehr verteidigen können. Und schließlich gelangen die Heldinnen häufig in einen erotischen Strudel: In der Rolle von Männern verlieben sie sich gern in Frauen.
The Heroic Trio von Johnny To (1993) liefert beinahe eine Anthologie zum Bild der Action-Heldin und ihrer Beziehung zum Mainstream: Michelle Yeoh ist Ching, eine Frau, die in den Abwässerkanälen eines futuristischen Hongkong lebt, im Dienste eines bösen Meisters steht und Babys stiehlt; Maggie Cheung ist eine coole Detektivin, die alles nur fürs Geld tut; und Anita Mui ist Wonder Woman, eine echte Heldin, die sich für Recht und Moral einsetzt und vor allem für eine glückliche Familie. Nur gemeinsam können sie den bösen Meister bezwingen, das heißt auch, dass Gut und Böse neu sortiert werden. Maggie Cheung, die in Irma Vep (1996) in die Produktion eines französischen Films förmlich hereinbricht, war das Vorbild für die Action-Heldinnen in Resident Evil (2002), Lara Croft – Tomb Raider (2001) und den Matrix-Filmen. Neben dem Dualismus von männlich und weiblich sind auch die Oppositionen von Ost und West, von Materiellem und Virtuellem in Bewegung geraten. Trinity in Matrix (1999) und Lucy Lawless als TV-Heldin „Xena“ übernehmen ihr Rollen- und Körperverständnis aus dem asiatischen Raum, und sogar die 3 Engel für Charlie (Charlie’s Angels, 2000) haben sich in gewisser Weise am asiatischen Bild und am Cyberspace infiziert.
Erlösung in der Bewegung
Die Action-Heldin des neuen Jahrhunderts ist cool. Ihre stärksten Ausprägungen sind die umsichtige Team-Kämpferin – Kampfmaschine, Managerin und Mutter in einem – und die einsame Profi-Killerin. Luc Bessons Nikita (La Femme Nikita, 1990) erzählt von einer drogensüchtigen Frau (Anne Parillaud), die im Staatsdienst zur Killerin wird; Der Koch und die Killerin (Beyond Hypothermia, 1996) handelt von einer geheimnisvollen und namenlosen Killerin, die im Auftrag ihrer Chefin und „Stiefmutter“ perfekt jeden Auftrag erledigt, um danach wieder als hübsche, fast schüchterne junge Frau zu leben. Der Film beginnt mit der minutiösen Beschreibung eines Auftragsmordes in einem Kühlhaus und endet mit einem blutigen Showdown, dem radikalsten und traurigsten seit Chinatown. Aber dazwischen gibt es für das Genre ungewohnt zärtliche Bilder, und in dieser Mischung aus der kalten Brillanz der Actionszenen und der anrührenden Zeichnung nur rudimentärer Beziehungen liegt der Reiz der neuen Filme. Die Heldin ist gespalten in einen beruflichen Teil (nur, als sie ein kleines Mädchen erschießen soll, zögert sie) und einen privaten, und ihre Verwandlung ist auch äußerlich komplett. Körper, Rolle und Wesen bilden keine Einheit mehr. Die Bewegung ist die einzige (Er-)Lösung.
Was blieb also der starken, körperlichen Frau übrig, als sich auf der einen Seite zu zivilisieren oder sich andererseits zu virtualisieren, sich in eine Rolle zu flüchten. In eine Rolle, in der sie, wie Angelina Jolie in Tomb Raider, nicht mehr fürchten müssen, an die gesellschaftliche Praxis gebunden zu sein. Lara Croft ist die kräftige Frau mit den voluminösen Formen: ausladender Busen, Wespentaille, breite Schultern und nicht zuletzt die ausgeprägten Wummen, zweifellos eine Amazonen-Karikatur, aber immerhin auch eine Mischung aus Batman und Indiana Jones – sie kann sich ihre Abenteuer als Vergnügen leisten.
Aber hat nicht, endlich, auch die Frau jenes Recht auf die Regression in der körperlichen Action, für die die Männer sich die Hälfte ihres Freizeit-Himmels ausstaffieren? Als D’Artagnans Tochter (La Fille de d’Artagnan, 1994) ist Sophie Marceau ein klassischer Peter-Pan-tomboy. Ein Mädchen, das lieber Hosen als Röcke trägt, lieber reitet und ficht als tanzt – und dies im stolzen Blick eines Vaters, der längst nicht mehr weiß, ob seine Abenteuer irgendetwas mit der Realität zu tun hatten. Neben der finsteren Reflexion und der romantischen Schwärze der schönen Killerin gibt es ja vielleicht noch eine ganz andere Lösung: eine kinetische Lust in und an sich selbst.
Die Action-Heldinnen werden nach dem Scheitern des Neoliberalismus also entweder virtueller (in gewisser Weise auch kindischer, die 3 Engel für Charlie dürfen natürlich nie „erwachsen“ werden) oder vernünftiger (etwa die Kommissarinnen im „Tatort“), vor allem aber wechseln sie auf die andere Seite der Melancholie. Die starke Frau des Actionfilms hatte mit dem Rückenwind des Neoliberalismus und seiner Versprechungen, ein Bekenntnis zur Stärke und zur Fitness sei bereits die Garantie für die Emanzipation, gleichsam versucht, die Mitte der populären Mythologie zu erobern, im Scheitern wurde sie aber in die Peripherie zurückgeschleudert. Die Krise betraf indes keineswegs nur die starke Frau des Actionfilms, sondern das Genre insgesamt, ja mehr noch: das kinematographische Körperbild selbst.
Der weibliche Körper wurde zum Objekt der kalten Neugier des Slashers im Teen-Horrorfilm und in den Urban Legends. Der Slasher taucht maskiert und messerbewehrt dort auf, wo der weibliche Körper seine gesellschaftliche Praxis nicht findet. Jenseits der Büros und Fitnesszentren lauert die immer noch männliche Gefahr. Nur einerseits ist die Chance dagegen eine Art des gewalttätigen Gegenschlages – eine Frau sieht rot. Sie bewaffnet sich mit einer 45er Magnum; noch besser mit einem Drillbohrer. Aber damit hat sie auch alle Freiheit der Bewegung verloren.
Das Rachebild erhöht und vergiftet das Bild der starken Frau. Sie definiert sich so durch das Bild eines nur scheinbar eindeutigen Gegners. Durch dieses Bild muss die kämpfende Frau immer wieder hindurch. Früher oder später gelangt sie an einen Feind – nicht einmal Barb Wire (1996) bleibt davor gefeit „, der auf furchtbare Weise effeminiert ist. Einer, der sich einen weiblichen Körper angefressen hat, der buchstäblich in die Haut der Frau will. Wie „Buffalo Bill“ im Schweigen der Lämmer, der noch im Schatten der Mütterlichkeit den Körper der Frau nicht zum Haben, sondern zum Sein begehrt. Gegen diesen Gegner mehr als gegen den male chauvinist, an dem man sich beiläufig rächt, muss der weibliche Körper sich neuerlich panzern. So dreht sich der Kreis wieder einmal. Wie ihr männlicher Vorgänger und Nachfolger muss die Action-Heldin sich weniger gegen das Andere zur Wehr setzen, als gegen die Unklarheiten, die Transgressionen.
Die starke Frau, diesseits und jenseits des staatlichen Gewaltmonopols, taucht heutzutage als feste Figur in allen Action-Ensembles auf, ist Teil der ewig laufenden Fernsehfilme geworden. Männer und Frauen als gleichberechtigte Kämpfer in Starship Troopers (1997) oder in Ensemble-Filmen wie X-Men (2000) gehören längst zum Alltag von Traumbildern, wie auch im Remake von Rollerball (2002) Frauen selbstverständlich bei dem absurden Brutalsport mitmachen. Im Team der „Stargate“-Fernsehserie trägt das weibliche Mitglied die größte Waffe, und auf der anderen Seite steht ein ausgesprochen weibisch-tückischer Herrscher. Aber wenn sich die vermännlichte Frau und der verweiblichte Mann in den Phantasien unsere populären Mythologie treffen, dann kommt es zum Knall: Sie haben, so scheint’s, nichts besseres im Sinn, als sich gegenseitig zu töten.
Autor: Georg Seeßlen
Text veröffentlicht in epd Film 7/2003
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