Die katholische Kirche ist ist unter Beschuss geraten. Weltweit. Insbesondere das Bekanntwerden von Gewalttaten gegenüber der Institution Anvertrauten, vielfacher Kindesmissbrauch zum Beispiel, hat dazu geführt. Werden Spielfilme zum Thema angekündigt, kommt immer ein wenig die Furcht auf, als Zuschauer zum Voyer gemacht zu werden, oder aber auch die, dass eher unsensibel nach der Hau-drauf-Methode gedreht worden ist.
Beides passiert hier nicht. Es zeigt sich, dass auch ohne vordergründige Effekte Spannung aufgebaut wird und Nachdenken ausgelöst werden kann. Erzählt wird von mehreren Priestern, die in einem abgeschiedenen Dorf leben. Sie alle sind –das wird schnell klar – schuldig, etwa des Kindesmissbrauchs. Die Kirchenoberen bestrafen sie mit dem Leben in Isolation. Aber: Sie verhindern bewusst ein Eingreifen der Justiz.
Der im Februar bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnete Spielfilm aus Chile erzählt Dramen, ohne dramatisch übersteigert anzumuten. Der Film beginnt wie ein Krimi: Ein Quartett von älteren Priestern, mehr bewacht als betreut von einer strengen Schwester, lebt scheinbar wohl geordnet. Ein fünfter kommt dazu. Ihn verfolgt ein Mann mit Schmährufen, mit Drohungen, mit Beleidigungen. Dann gibt es eine Leiche. Mit dem Blut kommen alle Schrecken der Vergangenheit. Denn die auf den ersten Blick bieder anmutenden Diener Gottes und auch die angeblich überaus fromme Schwester tragen schwere Schuld. Die obersten Kleriker aber stehen auf dem Standpunkt, dass die weltliche Gerichtsbarkeit für die Männer und Frauen der Kirche nicht zuständig ist. Immerhin: Es kommt so etwas wie ein kircheninterner Detektiv. Doch auch er ist nicht wirklich an Aufklärung und Gerechtigkeit interessiert.
Dem Film liegen Tatsachen zugrunde. Regisseur Pablo Larraín und seine drei Drehbuchautoren haben genau recherchiert. Dadurch konnten sie sehr differenzierte Charakterbilder schaffen. Der Glaube an sich wird nicht in Frage gestellt. Die Kritik richtet sich dagegen, dass es viele, zu viele im Reich des Papstes gibt, die meinen, dass kirchliche Institutionen und deren Vertreter nicht der öffentlichen Gerichtsbarkeit unterstehen.
Sämtliche Darsteller entsprechen mit ihrem Spiel der sensiblen Inszenierung. Nie wird auf die Tube gedrückt. Regisseur Pablo Larraín hatte 2012 einen großen internationalen Erfolg mit dem Anti-Pinochet-Film «¡NO!». Der Erfolg sollte sich wiederholen. „El Club“ hat alle Aufmerksamkeit verdient. Denn zum Finale hin weitet sich der Blick der Filmemacher über die Kirche hinaus allgemein auf den Zustand der bürgerlichen Welt. Und da liegt einiges im Argen.
Peter Claus
Bilder: Piffl Medien
El Club, von Pablo Larraín (Chile 2015)
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