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Dass Männer aus Prinzip nie nach dem Weg fragen, ist bekannt. Aus diesem Grund haben sie ja auch das Navigationsgerät erfunden.

Aber es gibt Ereignisse im Leben einer Autofahrerin, da versagt diese fabelhafte Erfindung. Das passiert in der Regel in einsamen Gegenden, mit fast leerem Tank und wenn man es eilig hat. Solche Situationen beweisen dann, dass Männer und Frauen nicht zusammenpassen. Jedenfalls nicht, wenn es um Orientierung geht. Fragen Sie niemals, wirklich niemals einen Mann nach dem Weg!

Kürzlich war ich unterwegs nach Oberweißbach. Ein dienstlicher Termin, ich fuhr sehr entspannt los. Herr Tomtom sagte, wo’s lang geht. Bis ich an ein Schild kam, wo „Umleitung“ nach  irgendwo draufstand. Kein Problem, dachte ich. Hab ja Herrn Tomtom.

Der führte mich geradewegs auf einen Bagger zu. Dann war der Weg zu Ende. Links Wald, rechts Wald, und davor auch Wald. Herr Tomtom schwieg. Ich kroch im Rückwärtsgang bis zum nächsten Holzeinschlagplatz und wendete dort. Herr Tomtom hatte inzwischen die Sprache wiedergefunden und befahl umgehendes Wenden. In sehr autoritärem Ton übrigens. Dort war aber nur die Straße mit dem Bagger. Männer, sogar wenn sie Tomtom heißen, sind eben nur eingeschränkt flexibel. Ich beschloss, ihn zu ignorieren und mich an die Grundtugenden der weiblichen Orientierung zu erinnern. Ich beschloss, nach dem Weg zu fragen.

Der erste Mann stand vor dem Gartentor. Ich setzte das Hilfe-ich-hab-mich-verfahren-Gesicht auf und drückte den Fensterheber. Kein Problem. Die Straße lang bis sie auf die B sowienoch mündet, dann bis zur übernächsten Kreuzung bis Abzweig links, den aber überfahren und den übernächsten links nehmen und dann immer rechts halten. Ich fuhr los. Von der Erklärung hatte ich nur noch „immer rechts halten im Kopf“. Unterwegs fuhr ich in zwei Sackgassen, schrammte über die Wurzeln einer riesigen Dorflinde, blieb einmal in einer Sackgasse stecken. Nachdem ich zum dritten Mal am selben Kirchturm vorbei rollte, hielt ich Ausschau nach Ortskundigen.

Der zweite Mann belud gerade einen Anhänger mit Pflastersteinen. Sie müssen, erklärte er, sich immer links halten bis zum übernächsten Dorf. Aha, mit der riesigen Dorflinde in der Mitte, freute ich mich. Welche Dorflinde? Er guckte irritiert. Sie müssen, sagte er, im Prinzip immer nach Westen.

Woher soll ich wissen, wo hier Westen ist? Da wo links ist? Ich durchfuhr zwei unbekannte Dörfer, bis ich plötzlich Mann Nr. 1 sah. Er stand immer noch am Gartentor und winkte. Ich fuhr schnell weiter, bis ich im übernächsten Dorf einen Mann mit Schäferhut aber ohne Schafe sah. Ist ganz einfach, beschied er. Erst scharf links, dann geradeaus, links, wieder links, Kreuzung, dann rechts bis zur B sowienoch und immer geradeaus, quasi südwärts.

Männer, hab ich mal gelesen, benutzen beim Orientieren eine Hirnregion, die was mit dem abstrakten-geometrischen Sehen zu tun hat. Wir Frauen dagegen arbeiten mit dem rechten präfontalen Cortex. Der ist mehr so für’s Assoziative zuständig. Wir orientieren uns an Bäumen, Hügeln und Schuhgeschäften.

Ich möchte wirklich mal wissen, warum man um die Mittagszeit in Thüringen nur Männer auf der Straße antrifft.

Nach dem dritten Links verlor ich den Überblick. Auf einem Plattenweg blieb ich stehen. Sie fahren auf einer nichtdigitalisierten Straße, triumphierte Herr Tomtom.

Kurzzeitig erwog ich die Rückkehr nach Hause. Die Autobahn wird ja wohl zu finden sein. Nach weiteren 20 Minuten, ich fuhr jetzt einfach so, nach Gefühl, tauchte vor mir das Ortsschild auf: Oberweißbach. Ich schwöre, ich habe bis heute keine Erklärung. Plötzlich war ich da.

Das geht allen meinen Freundinnen so, beruhigte mich meine Verabredung. Sie habe schon an die Lokalpresse geschrieben und an das Straßenbauamt. Aber wahrscheinlich werden die das erst verständlich ausschildern, wenn der erste Mann auf der Strecke als verschollen gemeldet wird.

Vor dem Rückweg gruselte es mich. Kein Problem, sagt sie, und malte mir eine wunderbare Wegskizze. Mit vielen Pfeilen, einer stilisierten Kirche und kleinen Bäumen und sogar einem Bahnübergang und natürlich der großen Dorflinde. Dort solle ich aufpassen, die Straße ist sehr eng. Ich fand schnell nach Hause.

Die Skizze hätte ich hier gern veröffentlicht als schönes Beispiel für Männer, wie man einen Weg auch mal logisch erklären kann. Aber ich finde sie irgendwie nicht mehr.

 

Elena Rauch

erschienen in Thüringer Allgemeine

Bild: CC BY NC-SA  fscklog

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