Ich bin ein Fan von psychologischen Studien. Wenn ich beim Frisör sitze, verschlinge ich alles, was ich in den herumliegenden Zeitschriften darüber zu lesen bekomme. Man glaubt ja gar nicht, woran die in den Instituten so alles forschen. Vor allem, wenn es den sensiblen Gesamtkomplex „Mann“ erklärt. Dann brauche ich keinen Cappuccino, keine Fachsimpelei über Strähnchen, ich will Informationen.
Wissen ist Macht, hieß es mal. Frauen beziehen ihre Macht aus diesem Wissen. Das haben wir Männern voraus. Die blättern lieber im Sportteil. Deshalb werden sie nie erfahren, wenn wir etwas tun, warum wir es tun. Sie wundern sich nur. Wir hingegen begreifen mit jeder Studie ein bisschen mehr. Aha, der Mutterkomplex. Sieh da, die Krise der Selbstinszenierung! Oh, ein Fall von unterdrückter Beziehungsangst! Man lebt souveräner, wenn man die Hintergründe kennt. Manchmal frage ich mich, wie das unsere Großmütter aushielten ohne solcher Lebenshilfen.
Wenn Sie zum Beispiel zu den Frauen gehören, die sich über die konsequente Ignoranz des vollen Mülleimers ärgern, kennen Sie einfach die neueste Studie des amerikanischen Union College nicht. Das Phänomen heißt „Unaufmerksamkeitsblindheit“, für das Männer besonders auffällig sind. Wenn sie von einer anspruchsvollen Sache, oft „in Verbindung mit Zahlen“ abgelenkt sind, kann neben ihnen die Waschmaschine explodieren und sie bekommen es nicht mit.
Sie denken, er sitzt aus Bequemlichkeit wie festgeklebt auf dem Sofa, während Sie um seine Füße herumstaubsaugen. In Wahrheit grübelt er über die Fibonacci-Zahlenfolge oder versucht die Riemann-Hypothese über die Primzahlen zu lösen. Seien Sie also künftig nicht so kleinlich und hören Sie auf mit dem Nörgeln. Er kann Sie sowieso nicht hören. Und sie können sich boshaft an die amerikanische Studie erinnern, wonach putzende Männer mehr Sex haben.
Es soll Frauen geben, die überrumpeln ihre Männer ohne Vorkehrungen mit solchen Botschaften wie: Schwiegermutter kommt für zwei bis drei Wochen zu Besuch. Oder: ich hab da eine Schramme am Auto, keine Ahnung wo die herkommt. Und wundern sich, wenn er Anzeichen von Unbeherrschtheit zeigt. Sie sind gekränkt, die Stimmung ruiniert. Mit Fleisch auf dem Tisch wäre das nicht passiert. Sein Anblick dämpft Aggressionen, das haben kanadische Wissenschaftler unlängst an 83 Probanden nachgewiesen. Sie führen das auf evolutionsbiologische Gründe zurück.
Braten Sie unbedingt vorher ein Steak, wenn Sie etwas zu gestehen haben.
Was Sie dann damit machen, hängt allerdings von Ihren weiteren Absichten und Ihren Voraussetzungen ab. Hungrige Männer nämlich, das sollten Sie unbedingt wissen, finden kräftige Frauen attraktiv. Das haben Wissenschaftler an der Stanford-Universität herausgefunden. Und ihren Kollegen in Ontario wiederum gelang nun auch der experimentelle Nachweis, dass Männer beim Anblick attraktiver Frauen zu unlogischen Entscheidungen tendieren. Genau, was wir uns manchmal wünschen. Es gibt eben Situationen, da heißt es klug umzugehen mit seinem Wissen.
Kürzlich las ich von einer Studie aus der Uni in Göttingen. Dort haben sie 50 Männer in weiße Overalls gesteckt und zu „Basisrythmen“ tanzen lassen. Dann haben sie zuguckende Frauen befragt und die Tänzer zur Selbstauskunft genötigt. Das Ergebnis: abenteuerlustige Männer sind auffällige Tänzer. Für Singles auf der Suche kann dieses Wissen auf der nächsten Ü-40-Party von gewissem Nutzen sein.
Es gibt auch Erkenntnisse, deren praktischer Nutzwert sich nicht gleich erschließt. Zum Beispiel hat ein niederländisches Forscherteam unlängst die Welt wissen lassen, dass man mit „voller Blase klügere Entscheidungen trifft“ und Schlafmangel risikofreudig macht.
Ist damit womöglich das Rätsel der irrationalen Schuheinkäufe gelöst? Und wenn ja, kann es gegen uns verwendet werden?
Niemals. Männer bleiben von solchem Wissen ausgeschlossen.
Sie sitzen nämlich nicht so lange wie wir beim Frisör herum.
Elena Rauch, Thüringer Allgemeine
Bild: Eye fillet marbling – Little Creek Cattle Co Grass-Fed Beef CC BY-SA Alpha from Melbourne, Australia
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