„Peppermint Candy“ beginnt mit dem Ende eines zerstörten Lebens. 1999, bei einem Klassentreffen, steht Yong-Ho auf eine Eisenbahnbrücke. Man hört den sich nähernden Zug. Yong-Ho breitet die Arme aus, die Augen weit aufgerissen. „I want to go back“ ruft er laut, bevor er überrollt wird, (oder auch „I’m going back!“, es gibt zwei koreanische DVD-Veröffentlichungen, mit unterschiedlicher Übersetzung). Wie es zu dieser verzweifelten Tat kam, wird in sieben Episoden aus seinem Leben erzählt. Alle verbunden durch eine rückwärts laufende Zugaufnahme. Neben Yong-Hos Charakterwandel der letzten 20 Jahre wird auch die Gesellschaft Südkoreas portraitiert. Dort, wo sein Leben ein Ende findet, gestand er vor 20 Jahren Sun-Im seine Liebe. Die erste retrospektive Episode zeigt Yong-Ho 1999, als Opfer der Wirtschaftskrise, in einer Baracke lebend. Von seinem letzten Geld kauft er sich eine Waffe, mit der er sich und die seiner Meinung nach Schuldigen an seinem Unheil richten will. Kurz bevor er seinen Plan in die Tat umsetzen kann, sucht ihn der Freund seiner früheren Liebe auf. Sie liegt im Sterben und wünscht ihn noch ein letztes mal zu sehen. Weiter rückblickend sieht man einen tyrrannischen Yong-Ho in gefestigten Bahnen mit Frau und Kind während des Wirtschaftsbooms Mitte der 90er Jahre. Und so blickt „Peppermint Candy“ immer weiter zurück, in die Zeit des Helden als sadistischer Polizist, über die Studentenrevolten, dem Gwangju-Massaker, bei dem er folterte bis hin zum unschuldigen Studenten, der sich für Fotografie interessierte und sich in Sun-Im verliebte. Und am Ende sieht man einen naiven jungen Mann, dem eine Träne im Auge steht, als ob ihm bewusst wird, dass seine Träume vom System der Militärdiktatur überrollt werden. So, als ob er sein kommendes Ende sehen könnte.

Obwohl man auf Lee Chang-dong erst mit „Oasis“ (2002) international aufmerksam wurde, erkennt man hier schon sein Talent für komplexe und unangenehme Dramen mit gut ausgearbeiteten Charakteren. Nach seinen ersten drei Filmen, (Green Fish, Peppermint Candy und Oasis) wurde Lee Chang-dong 2003 zum Kulturminister Südkoreas ernannt. 2004 trat er von diesem Amt zurück. Es folgten 2007 „Secret Sunshine“, der auch in einigen deutschen Programmkinos lief und 2010 „Poetry“, der in Cannes den Preis für das beste Drehbuch erhielt.

Andre Thaetz

Peppermint Candy / Bakha satang (Südkorea 1999, Regie: Lee Chang-dong)

 


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