Luftkühlung in Lehmbauten, sauberes Wasser in der Spree: Eine Ausstellung in der Aedes-Galerie auf dem Pfefferberg zeigt, wie das bessere Bauen manchmal mit einfachen Lösungen zu erreichen ist
Gäbe es eine Liste der Attribute, deren Glaubwürdigkeit in den letzten zehn Jahren am meisten erschüttert wurden, müsste „nachhaltig“ auf ihr ziemlich weit oben stehen. Der Grund dürfte sein, dass nachhaltig – ursprünglich ein Wort, das nichts anderes als eine Sache „mit langzeitiger Wirkung“ bezeichnete – heute quasi synonym für gut, echt und wahrhaftig steht. Und gleichzeitig zur wohlfeilen Floskel geraten ist.
Nachhaltig ist alles, an das man glauben soll. Im Sinne der Nachhaltigkeit kaufen wir fragwürdige Zertifikate und setzten giftige Dämmmaterialien ein, um wenig vertrauenserweckende Energie-Bilanzen schönzurechnen. Gerade auf dem Bau ist die Nachhaltigkeit schwer angekratzt. Wer als Heilsbringer hoch gehalten wurde, fällt aber als Lügner am tiefsten.
Um so mehr überrascht eine Architekturausstellung, die der korrumpierten guten Sache ein back to the roots entgegensetzt. Unter der Überschrift „Machen“ zeigen die Architekturkritiker und Kuratoren Ilka und Andreas Ruby im Aedes Forum deutsche Projekte des Holcim Awards. Die Holcim Foundation for Sustainable Construction zeichnet seit 2004 beispielhafte nachhaltige Architekturprojekte aus. Sie überzeugen mit ihrer Ausstellung. Denn in Modellen und Plänen sind Lösungen zu sehen, die tatsächlich komplex und langfristig wirken.
So klar wie der Titel „Machen“ nahelegt, sind sowohl die Formensprachen als auch die Nachvollziehbarkeit der sozialen und ökologischen Effekte. Da gibt es zum Beispiel die Architektur einer Schulanlage in Burkina Faso von Francis Kéré, die so leicht und filigran aussieht, wie man es sonst fast nur von Betonkonstruktionen kennt und dabei aus Lehmbauteilen besteht, die mit lokalen Arbeitskräften vor Ort gegossen werden. Ein fein ausgeklügeltes System zur Kühlung, zur Luftbefeuchtung und zum Schutz vor Sandwinden funktioniert ganz und gar ohne Strom, nutzt traditionelle Techniken und kommt ohne importierte High-Tech-Teile aus. Das College de Gando – so heißt das Projekt – ist so schön wie klug konstruiert. Ein Ei des Kolumbus aus Lehm. Und alles zum Selbermachen. Belohnt wurde es dafür auch mit 150.000 Dollar Preisgeld, die eine wichtige Hilfe dafür sind, dass die Idee verwirklicht und die Planungen vollendet werden können.
Ein ganz gegensätzliches Projekt stellen die Architekten Frank Barkow und Regine Leibinger vor, die mit ganz anderen Mitteln eine ebenso simple wie kluge und schlichte Schönheit entworfen haben: Das Smart Material House. Statt Lehm nutzen sie Beton, setzen auf Fertigteile und Serienproduktion und kreieren den modernen, ökologisch verträglichen Plattenbau. Ein „Kartenhaus aus tragenden Wärmedämmungen“ nennen es die Architekten. Und meinen, dass sie den an sich ökologisch bedenklichen Beton weiterentwickelt haben, indem sie recycelte Stoffe wie Ton und Glas beigeben und einen Leichtbeton erhalten, der selbst Wärme dämmt. Das Barkow-Leibinger-Bauwerk sieht tatsächlich aus wie ein Kartenhaus. Denn aus dem dämmenden Leichtbeton werden konvex-konkave Fertigbauteile gegossen, die, durch hölzerne Zwischendecken abgetrennt, von selbst aufeinander stehen. So ästhetisch das Wohnhaus aussieht, so billig ist seine Herstellung. Weshalb – und auch das ist ein Kriterium von Nachhaltigkeit – das Wohnen im Smart Material House erschwinglich sein kann.
Der gemeinsame Nenner scheint das Ei-des-Kolumbus-Prinzip zu sein. Den wenigen, aber dafür durchweg sehenswerten Projekten ist gemeinsam, dass sie einfache Lösungen mit komplexer Wirkung finden. Eins der Beachtlichsten ist hinsichtlich dessen das „Flussbad Berlin“. Das Architekturbüro realties:united baut nicht einmal im klassischen Sinne ein Gebäude, sondern nutzt einen Wasserweg um: Den Spree-Kanal zwischen Schlossplatz und Bodemuseum. Es legt im oberen Teilstück, dort wo der Arm von der Spree abzweigt, durch Kiesaufschütten, Sandaufschütten und Schilfanpflanzen eine natürliche Kläranlage an und schenkt stromabwärts der Stadt ihren Fluss zurück. Als Bad. Für die Bewohner dieser Stadt. Die so diesen stark gentrifizierten Teil des Zentrums wiedergewinnen könnten. Auch bei diesem Projekt könnten sowohl das Renommee des Holcim Awards als auch das Preisgeld bewirken, dass es in greifbare Nähe rückt.
„Machen“ ist eine sehr fassbare, aufrichtige Ausstellung, die im wahrsten Sinne die Dinge nahbar macht. Neben Modellen und Plänen gibt es Lehmwände und Betonteile, die man berühren kann, und Deckenkonstruktionen aus Bambus, auf die man sich setzen kann. Um zu prüfen, ob sie dem Körpergewicht standhält. Die Ausstellung lädt zum Denken und zum Hinfassen ein. Sie legt nahe: Besser bauen: Wenn man wollte, könnte man es einfach „machen“.
Tina Veihelmann, taz
„Machen“, bis 30. August 2012 im Aedes Architekturforum auf dem Pfefferberg
Christinenstraße 18-1
mehr Info: Aedes am Pfefferberg
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