Der kluge Wolf
„Das ist New York“, sagt Melvin Udall aufmunternd, „wenn du es hier schaffst, schaffst du es überall.“ Dann wirft er den niedlichen kleinen Hund in den Müllschlucker. Außer Hunden mag der Schriftsteller auch Neger, Juden und Schwule nicht, aber lediglich seine Hunde-Phobie therapiert er so konsequent. Wir erkennen daran, wie sehr er sich von der öffentlichen Meinung emanzipiert hat, denn das mit dem Hund ist nicht mehrheitsfähig. Jack Nicholson hingegen ist immer mehrheitsfähig, und wenn er der Müllschlucker selber wäre. Besser gehts nicht hieß dieser Film, und das ist ein Satz, der gilt sehr oft auch für die Arbeit dieses Schauspielers.
Und besser beinahe jedes Jahr, wie ein alternder Wolf. Wie er die Luft prüfend durch die bebenden Nasenflügel saugt. Wie er die Brauen hebt. Wie seine federnden Bewegungen, Schritt für Schritt, die Evolution im Rückwärtsgang vorführen, das ganze Kulturgebrabbel als das Resultat eines mühsamen Komplexes im Grunde ungeliebter Sozialisierungsmaßnahmen zusammenbrechen lassen: Wer sich derart lustvoll in einen Wolf zu verwandeln vermag, der muss einmal ein Wolf gewesen sein. Oder etwas ähnliches.
Ein Botenjunge mit 10 Dollar zum Beispiel. Jack Nicholson war beides, der „Wolf“ in Mike Nichols Film und der 10-Dollar-Junge in einem der großen Studios von Hollywood.
Heute ist Nicholson nicht nur einer der reichsten Männer der Branche, er ist auch einer der besten. Nach zehn Jahren und Dutzenden B-Movies kam 1969 „Easy Rider“, mit „Chinatown“ (1974) und „Kuckucksnest“ (1975) war er, wohin er gehört, ganz oben. Ein charismatischer Charakterschauspieler, der tatsächlich besser wird mit jedem Jahr weil die Fähigkeit des klugen Wolfes zur sanften Selbstironie glänzender wird mit jeder Falte. Wie er sein eigenes Alter in „Zeit der Zärtlichkeit“ lächelnd vorzuführen vermag, wie er blubbert vor Blödheit in „Mars Attacks!“, wie er, der alte „Wolf“, die Lust am Animalischen genießt und zugleich deren Albernheit aufhebt indem er andeutet, darum zu wissen das macht ihn zum großen, intelligenten Schauspieler. Und stiftet, wie Clint Eastwood, die Hoffnung, es könnten auch Wölfe und Schauspieler in Ehren ergrauen.
Autor: Henryk Goldberg
geschrieben 2002
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