Der einsame Wind

Das Jackett schnell abgelegt, das weiße Hemd schnell geöffnet, das ist die Attitüde, der Mann ist Schauspieler. Und dann das Eigentliche: „Über dem weißen Weiher / sind die wilden Vögel fortgezogen / Am Abend weht von unseren Sternen ein eisiger Wind“. Wie er Georg Trakls Verse kraftvoll klagen lässt, wie er aus der Tiefe das Ende aufsteigen lässt: da fallen die Kraft des Eiswindes und die Verzweiflung dessen, der ihn zu ertragen hat, in eines. Da, scheint es, ist der Mann ganz bei sich selbst, da ist die Schauspielerei nur noch das Medium eines Weltempfindens. Das war in diesem Sommer, Klaus Löwitsch gastierte mit Franz Fühmann und Georg Trakl beim Kunstfest Weimar. Gestern ist er gestorben, 66 Jahre alt, die Bauchspeicheldrüse.

Dieser Schauspieler hat vielleicht eine der verzweifelsten Biografien der Branche gelebt. Allerdings, eine selbst verantwortete, er hat seine Skandale gelebt und er hat sich seinen Möglichkeiten lange verweigert.

Klaus Löwitsch hat eine der besten Kriminalreihen des deutschen Fernsehens geprägt, doch er wollte nicht sterben als „Peter Strohm“. Immerhin war der Macho als junger Mann Mitglied des Corps des Ballett der Wiener Volksoper, er hat in München, Wien, Hamburg und Zürich gespielt, erste Rollen in ersten Häusern, er gehörte zum Fassbinder-Clan (u.a. „Die Ehe der Maria Braun“). Da wollte er noch einmal hin, mit Trakl, mit Wittgenstein, mit Literatur, das sollte sein Abschluss sein.

Nun war „Gottes einsamer Wind“ kein Auftritt mehr. Er war, wie in jedem Leben, die letzte, die einsamste Szene.

Bild: Welt am Draht @ Arthaus

Autor: Henryk Goldberg

erschienen am 04.12. 2002 in Thüringer Allgemeine

Klaus Löwitsch starb am 03.12.2002


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