Am Ufer
Am 7. Dezember 1782 kommt der Flüchtling Schiller nach Thüringen – nicht wegen Goethe
Goethe kannte solche Fluchten nicht. Auch er floh vor einem Herzog doch vor seiner Liebe. Und am Zielpunkt seiner Flucht, in Italien, da wurde er wohl versehen mit allem. Und zu Hause warteten Amt und Würden.
Als der Flüchtling Schiller nach Bauerbach kommt, da hat er Angst vor Verhaftung und ohne Henriette von Wolzogen hätte er nicht Geld, eine Suppe zu erwerben und eine Liegestatt zu finden. Er hat seine Uhr versetzt und er steht bei seinem Fluchtgefährten Andreas Streicher in der Kreide. Dabei, er ist bereits der Autor der legendärsten Uraufführung der Theatergeschichte, der Räuber, er hat ein Stück in der Tasche, den Fiesko, und ein weiteres im Kopf, Louise Millerin. Doch das alles, das einem Mann Ruhm und Geld sonder Zahl einzutragen geeignet ist, das alles hätte ihm nichts geholfen. Heribert von Dalberg, der Mannheimer Intendant, der nicht ahnt, dass er vor allem als Fußnote der jungen Mannes überleben wird, befürchtet Verwicklungen mit dem Herzog Karl Eugen, schließlich war Schiller seit September ein Desserteur aus dem Württembergischen. Da lädt ihn Henriette von Wolzogen, die Söhne auf der Karlschule hat und Schiller einmal nach Mannheim begleitete, auf ihr Gut Bauerbach ein, es ist die letzte Zuflucht. Ein soziales Asyl aber doch auch ein politisches, denn der Flüchtende ist hier außerhalb der Reichweite seines Herzogs. Schiller schreibt, hier das Drama Louise Millerin, das auf Vorschlag des Schauspielers Iffland unter dem Titel Kabale und Liebe Karriere machen wird man könnte diese verkaufsfördernde Änderung eine erste Boulvardisierung des Theaters nennen.
Zweimal besucht ihn Henriette von Wolzogen mit ihrer sechzehnjährigen Tochter Charlotte, in die sich der junge Mann umgehend verliebt. Wenn Goethe ein Mädchen trifft, pflegt er ein Gedicht zu machen oder ein Drama und ist zufrieden, Schiller macht einen Antrag und wird melancholisch.
Dennoch, dieser erste Aufenthalt in Thüringen ist eine Zeit der Ruhe. Als Schiffbrüchiger sei er hier am Ufer geborgen, schreibt er. Am 24. Juli 1783 verlässt er Bauerbach. 1787 wird Friedrich Schiller nach Thüringen zurückkehren. Dann wird es auch wegen Goethe sein, wegen Weimar. Dann geht es um die Unsterblichkeit.
Autor: Henryk Goldberg
Text geschrieben 2004
Text: veröffentlicht in Thüringer Allgemeine
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