Das Leben – ein Traum
Zum Tod des Schauspielers O.W. Fischer, der hatte, was wenige haben: ein Leben nach dem Ruhm
Es ist der Zeitgeist, der die Menschen kleidet und frisiert. O.W. Fischer, wäre er fünfzig Jahre später geboren, hätte anders ausgesehen. Denn ein schöner Mann wie er es war taugte heute nur zur Parodie eines schönen
Mannes. Er muss das geahnt haben, denn als Opas Kino sich zum Sterben legte, in den sechziger Jahren, da zog er sich zurück aus der Öffentlichkeit. Er wollte nicht mit diesem Kino sterben, er wollte leben als der, der war. Am Donnerstag bereits, wie erst gestern bekannt wurde, ist O.W. Fischer gestorben, 88 Jahre alt, in Vernate, jenem Ort im Tessin, wo er seit 1960 lebte.
Der frühe Rückzug aus dem Ruhm ermöglichte ihn gleichsam das Erleben des eigenen Nachruhms, denn er war kaum noch präsent in der Öffentlichkeit, er wurde schnell zur Erinnerung, zur Legende. Und so blieb ihm die Erfahrung des Scheiterns, die er 1957 in Hollywood machen musste, ein zweites mal erspart.
Mag sein, das Loslassen fiel ihm ein wenig leichter als anderen. Diese Lässigkeit in seinem Spiel, dieses Flair des Bonvivant, der sein Leben eine Handbreit über dem Boden vorgefundener Tatsachen lebt und so einen leichten Snobismus verströmt, der wortlos erzählt, wie wenig das alles mit seinem wirklichen Selbst zu tun hat das war womöglich nicht gespielt, das war ein Stück Charakter. Dieser Hauch von Selbstironie, der, bei einem als traumschön geltenden Mann erst recht, seiner Zeit voraus schien, das war womöglich nicht nur Attitude, das war es auch, sondern Lebenshaltung. Eine Lebenshaltung, die es ihn ermöglichte, Kino und Theater nicht für etwas Existenzielles zu halten, nicht für etwas, das unverzichtbar sei. Es war schön, berühmt zu sein, es gab Geld und Frauen, und wer schön ist, will seine Schönheit herzeigen und bewundert sehen. Und war doch der Mann, sich zurückzuziehen ins Tessin und Bücher zu schreiben. Andere, wenn sie um die 50 sind und berühmt männlich, nehmen schnelle Autos, goldene Kettchen und junge Frauen. Vielleicht, dass ihm das peinlich gewesen wäre, alte Schule aus einer Zeit, da man Kinder noch Otto Wilhelm nannte, nach berühmten Preußen.
Und was war dieser Kerl für ein Aufreißer, oder hätte es doch sein können. Mit Maria Schell das deutsche Paar schlechthin, da konnten Ruth Leuwerik und Dieter Borsche sich noch so mühen. Ludwig II. (1955), Peter Voss (1958), Helden (1958), seine vielleicht größte Rolle.
In seinen Posen sieht er nicht aus, wie ein Mann, der in den Nächten grübelt, doch war er ein dunkler Grübler, ein Esoteriker. Er entwickelte, in seinem zweiten Leben, die Allhypnose, die Theorie, der zu Folge das Leben
nur eine Art Traum sei, eine Trance. Wer so denken kann, dem fällt das Loslassen nicht schwer, denn es sind nur Schäume, von denen er lässt. So kann man vielleicht glücklich leben. Und, vor allem, sterben.
Autor: Henryk Goldberg
Text geschrieben 2004
Text: veröffentlicht in Thüringer Allgemeine
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