Ganz Paris träumt von der Liebe – und das halbe Deutschland vom Aufschwung. Komm ein bisschen mit nach Italien – und schon wurden die Käfer mobil. Und so wurde Caterina Valente in Deutschland für die falschen Lieder berühmt. Denn eigentlich war sie viel besser als sie es sein durfte
Niemand hat die Auferstehung aus Ruinen, die Sehnsucht nach unzerstörten Landschaften, die – damals reale – Vision der blühenden Gärten für das westliche Nachkriegsdeutschland vollkommener repräsentiert als Caterina Valente. Und wie sich zum Aufschwung von Adenauers Deutschland die Verdrängung der kollektiven Vergangenheit gesellte, so zu seiner zeitgeistigen Repräsentantin die Züchtigkeit, niemand wird mit einigem Ernst behaupten wollen, dass diese nette, hübsche Frau eine Erotik ausstrahlte. Doch die Zeit war prüde, Hildegard Knef galt nach einem sekundenschnellen Nacktauftritt als die Schlampe der Nation.
Disziplin und Demut, das hatte Caterina Valente im Zirkus gelernt und im Varieté. Ohne dieses Artisten-Ethos, das Publikum bestimmt, wäre ihr wohl noch mehr möglich gewesen. Aber Deutschland wollte es eben so. Und sie wollte Deutschland.
Von ihren Eltern, Tochter eines spanischen Vaters und einer italienischen Mutter, geboren in Paris, erwarb sie die deutsche Sekundärtugend Disziplin. Diese Schlagersängerin lebte in einer Zeit, in der diese Berufsbezeichnung noch als ehrenwert galt, ein Multi-Kulti-Leben, lange ehe es das Wort gab. Und wurde ihren deutschen Fans damit auch ein wenig fremd: Dass eine deutsche oder doch als deutsch geltende Sängerin Mitte der fünfziger Jahre in den USA mit Ella Fitzgerald sang oder mit Bill Haley spielte, das war eher ein Grund, etwas abwartend zu reagieren. Der Frieden war erst ein Jahrzehnt alt, die Amis zwar immerhin besser als die Russen aber doch Fremde und deutsch war schließlich deutsch und wurde langsam wieder was. Catrin war unser, so sollte es bleiben. Es galt in jenen Jahren nur bedingt als Empfehlung, ein deutscher Weltstar zu sein. Schließlich, die Welt war nicht nett zu uns und Marlene hatten wir auch heim geschickt. Heim nach Amerika.
Aber Catrin sollte nett sein, ein bisschen südlich und ziemlich brav. So war ihre Fähigkeit zum Jazz, zum Chanson in Deutschland nie recht gewollt. Die anderen Lieder sang sie anderswo.
In den USA wollten sie sie für die „Dean Martin Show“. In dem Jahr, da sie in Deutschland „Tschau, tschau Bambina“ sang, 1959, wurde sie für den Grammy nominiert. Sechs Jahre später erhielt sie als erste Nicht-Amerikanerin den Fame Award als beste Sängerin im amerikanischen Fernsehen. Ihre weltweit bestverkaufte Platte bot Jazz, nicht Schlager, und sie wurde in Italien produziert.
Es muss der Prägekraft der Zeit wie der der Künstlerin geschuldet sein, die stets austrainiert und engagiert auftrat, dass naive Lieder wie der klitzekleine „Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu-Strand-Bikini“ oder das blitzblöde „Tipitipitipso“ in der Erinnerung die Zeit überdauert haben. So ist der Erfolg eines Künstlers wohl immer auch eine Signatur des Zeitgeistes: Eine Zeit, eine Gesellschaft projiziert ihre Ideale, ihre Träume auf das lebendige Medium. Es liegt eine nicht reparable Ungerechtigkeit darin, das Caterina Valente in der deutschen Kulturgeschichte als die nette, charmante Schlagersängerin erinnerlich bleibt. Mit diesen netten Unerheblichkeiten wurde und blieb sie in Deutschland berühmt, weit unter ihrem künstlerischen Niveau.
Man mag heute über die Zeit lächeln und über ihre Lieder auch: Der Frau, die sie sang mit der Präzision und der Disziplin einer Artistin, die immer ein Star war und nie eine Diva, gilt nichts als Respekt.
Text: Henryk Goldberg
Bild: Berlin, Friedrichstadtpalast, Caterina Valente
Original Bildbezeichnung: ADN-ZB / Franke / 13.1184 / Berlin: Mit „Variete, Variete“ hob sich im Friedrichstadtpalast der Premierenvorhang zum zweiten Programm nach der Wiedereröffnung. Zu den Mitwirkenden der Revue gehörte Caterina Valente aus der Schweiz.
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24. August 2012 um 20:30 Uhr
C. Valente war eine der Größten und ich verehre sie sehr. Schade, dass man ihr die Chance in München nicht gegeben hat, ein Zentrum für junge Talente aufzubauen. Dort hätten die angehenden Show-Talente „echtes Handwerk“ erlernen können. Solche Show-Zentren sind in Deutschland leider immer noch ein „Stiefkind“ gegenüber der USA. Diese wunderbare Künstlerin, die wirklich alles konnte, hätte solch ein Zentrum verdient gehabt….tja Deutschland….wie so oft, zeitlich viel zu spät dran.