Foto: Werner Bergmann

Der arge Weg

Heute würde der wichtigste DEFA-Regisseur, 85 Jahre

Dieser Goya ist ein Besessener, besessen von seiner Kunst, besessen von seinem Konflikt. Er reüssiert bei Hofe und zergrübelt die Nächte.Er wird erst die königliche Familie malen und später die Schrecken des Krieges. Sein arger Weg zerreißt ihn.

Als Konrad Wolf am Zerreißen ist, weil er an seinem Land leidet, da stirbt er. Es ist, als habe ein gütiges Schicksal ihm die Erfahrung ersparen wollen, wie arg dieser Weg noch werden sollte. Goya war kein wirklich großer Film, aber er zeigte die Geschichte eines Mannes, den die gesellschaftliche Spannung zu zerreißen droht. Da hat der Kommunist seine Situation auf seinen Film projiziert. Denn Wolf hätte, wäre er nicht 1982 gestorben, mit einem Konflikt leben müssen, der an Schärfe zunahm und den auszuhalten ihm ein argerer Weg gewesen wäre als vielen anderen. Seine letzte Arbeit, Busch singt, suchte noch einmal die ursprüngliche Kraft der Idee zu beschwören.
Der Sohn eines prominenten Emigranten, der in sowjetischer Uniform zurückkehrte (Ich war 19), hatte den Grundimpuls seines Lebens gleichsam an den Quellen selbst empfangen, geprägt von seiner Zugehörigkeit zum kommunistischen Hochadel. Und so litt er an der Wirklichkeit, wie nur einer leiden kann, der aufrecht liebt. Konrad Wolf steht vielleicht wie kein anderer für die Problematik des Intellektuellen, für den die DDR ein freiwillig gewähltes Programm war. Und Verzweiflung wuchs aus der wachsenden Schwierigkeit, den ursprünglichen Impuls zu bewahren.
Das Theater der DDR entsprach, in der Spitze, einem internationalen Standard, ihr Film nicht. Wolf war einer der wenigen DEFA-Regisseure mit einer internationalen Reputation, Sterne etwa erhielt bereits 1959 einen Preis in Cannes, Solo Sunny 21 Jahre später in Westberlin und Chicago. Dieser Erfolg war nicht nur cineastisch begründet, Wolf kultivierte kaum das, was man Handschrift nennt, sondern in seiner Haltung, seiner Integrität: Er hatte keinen Stil, er hatte Themen. Und da er, das Wort ohne jede Ironie, ein Moralist war, waren auch seine Filme so. Das machte ihre Kraft aus und ihre Gefährdung, wenn die Fragen der Menschen ins unmittelbar Gegenwärtige drängten.
Konrad Wolf war der vielleicht wichtigste Filmregisseur der DDR  was nicht nur die Summe seiner 13 Filme meint, sondern sein Wirken als Persönlichkeit. Er war eine integrierende Mitte; bei den einen der Biografie, bei den anderen der Arbeit wegen in Ansehen stehend, besaß der Akademiepräsident die Gabe, Gezänk zu beenden und Gespräche zu eröffnen; seine Partei neigte zur umgekehrten Verfahrensweise. Als Mama, ich lebe die Frage aufkommen ließ, ob der Rückgriff auf den Krieg nicht eine Flucht vor der Gegenwart sei, da inszenierte er einen umstrittenen Gegenwartsfilm, dessen effektgeladene Ästhetik für ihn radikal neu war. Solo Sunny, die Geschichte einer Außenseiterin, die massiv ihr Recht auf Individualität einfordert, eine aggressive Schwester von Carows Paula. So konnte er, was sein Land nie konnte: sich korrigieren, auch wenn es schmerzt.
Das Land, dem er verbunden war, starb auch an der Unfähigkeit, diesen argen Weg zu gehen. Und sein Tod ersparte es ihm, Teil dieser glanzlosen Agonie zu sein. Wer an das Wirken einer höheren Kraft glauben kann, der mag hier ein Beispiel ihres Wirkens erkennen.

Text: Henryk Goldberg

Bild oben: Konrad Wolf via Filmmuseum Potsdam

Bild Teaser: DIF, Deutsches Filminstitut


Konrad Wolf starb am 7. März 1982