Sean Connery at the 2008 Edinburgh International Film Festival, © Stuart Crawford

Die Weisheit des Verzichtes

Als der Weltstar Sean Connery 1983 in seine frühere schottische Stammkneipe geht, da blickt ein Mann kurz auf. „Hey, wie läuft’s denn so? Du warst wohl weg?“

Die Anekdote wird nicht stimmen, aber sie erzählt wohl etwas über Schottland, dem Connery sehr verbunden ist, verbundener, als es sich eigentlich schickt für einen Ritter des Vereinigten Königsreiches. Aus diesem Grunde, heißt es, habe es in London beträchtlichen Widerstand gegeben, als es darum ging, den Schauspieler aus Edinburgh zum Ritter des Empire zu erheben. Dabei, die Noblesse, die hat dieser Mann von keiner Königin erhalten, die hat er von einem gütigen Schicksal zum Geschenk bekommen.

Die größte Rolle, die Sean Conery vor den Augen der staunenden Welt verkörpert, ist die des Hoffnungsträgers: Der Hoffnung, es sei das Altern nicht zwingend auch ein Verfallen. Wenigstens, jenseits der Funktionalität, des Verfallens von Charisma. Dieser Mann sieht aus wie ein Versprechen: an Kraft, an Souveränität, an Verlässlichkeit. An Weisheit auch. Und er erweckt, das vor allem, den Eindruck, als könne er alle diese Versprechen einlösen.

Der kluge Satz, es sei der Mensch ab Vierzig für sein Gesicht verantwortlich, könnte für ihn erdacht worden sein. Er hat ein Gesicht, dass die Großaufnahme aushält. Und er wurde immer besser mit den Jahren. In dem Maße, in dem er Jugendlichkeit und Körperkraft verlor, erwarb er sich die Aura der Verlässlichkeit, das Charisma eines Mannes, der weiß, wohin es geht und wie man dorthin kommt. Sean Connery ist genau der Mann, den wir uns im Cockpit wünschen, wenn die Motoren brennen; auf der Brücke, wenn der Eisberg kommt.

Gewiss, dieser Zusammenhang von Alter und Aura gilt für keinen Menschen ewig, doch für ihn, hierin vielleicht noch Clint Eastwood vergleichbar, galt er länger als für die meisten seiner Kollegen.

1962, reichliche 30, spielt er seinen ersten James Bond, eine Frau, heißt es, habe ihn für die Rolle empfohlen, Ian Flemings Freundin. Er hat die Figur kreiert und geprägt, er bleibt ihre Inkarnation. Er hatte auch den Körper dafür, immerhin, er wurde einmal Dritter beim Wettbewerb „Mister Universe“. Doch als einziger der Bond-Darsteller wurde er auch ein bedeutender Charakterdarsteller. Seinen Altersrollen ist es gelungen, in der Ikonografie des Schauspielers die Maske des James Bond als ein zwar unvergessenes, jedoch abgeschlossenes Kapitel zu überstrahlen. (Wer diesen Prozess im Zeitraffer nachvollziehen will, dem bietet die jetzt erschienene „Hommage in Fotografien“ des Verlages Schwarzkopf & Schwarzkopf die Gelegenheit.) Denn als er reichlich Vierzig war beschloss er, Verantwortung zu übernehmen für sein Gesicht und ein Charakter zu werden. Die Aura der Alterslosigkeit ist sein Lohn für den Verzicht, den er erklärte, als er es noch nicht hätte müssen. Und war fast 60, als ihm das amerikanische „People Magazin“ 1989 zum erotischsten Mann des Jahres wählte.

Mit James Bond wurde er ein Superstar, mit den folgenden Rollen wurde er ein Schauspieler. „Die Unbestechlichen“ (1987) erwarben ihn den Oscar. Den, darauf ließen sich Wetten abschließen, wird er noch einmal erhalten für sein Lebenswerk, den Europäischen Filmpreis dafür hat er schon.

Immer ein Typ, der alles schon erlebt hat, was zu erleben ist und deshalb von leicht blasierter Arroganz, die sich freundlich tarnt, immer ein wenig von oben her, immer ein wenig gelangweilt, wenn die Jungen so ein Gedöns machen. Und doch immer noch einmal bereit, den Jungen zu beweisen, dass nichts, gar nichts sich geändert hat. Der theologische Detektiv in „Der Name der Rose“, einer der größten Erfolge des alten Wolfes, heißt William von Baskerville. Es ist selten, dass die alten Wölfe nicht nur so erfahren sind wie der von Baskerville, sondern auch so attraktiv. Der U-Boot-Kommandant, der die „Jagd auf Roter Oktober“ auslöst war genau die Mischung aus der noch im notwendigen Maße erhaltenen Kraft und der schon im reichlichen Maße gespeicherten Erfahrung. So, genau so sollte ein Mann aussehen, der ein Atom-U-Boot befehligt. Mag sein, dass diese Rolle ihn ein wenig an seine Jugend erinnerte: Als er kein Milchfahrer und Zeitungsverkäufer mehr sein wollte, verpflichtete er sich für drei Jahre zur Royal Navy, obgleich sein Motto nicht das herrische „Rule Britannia“ ist, sondern das trotzige „Scotland forever“, er trägt das stolze Wort als Tätowierung.

Im Jahre 2003 spielte er noch einmal in „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“. In diese Liga gehört er in der Tat – und deshalb nicht in solche Filme. Er muss das wohl selbst gespürt haben, zog die Konsequenzen und hörte auf. Auch das ist Noblesse.

Text: Henryk Goldberg


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