Jürgen Böttcher (Foto: Franz Richter, 2009)


Irgendwann, Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre, saßen ein paar Leute, der Autor darunter, in einem Neubrandenburger Hotel und tranken. Jürgen Böttcher hatte beim Dokumentarfilmfestival der DDR gerade Venus nach Giorgione gezeigt, ein wunderschönes filmisches Tryptichon, darin Postkarten vor laufender Kamera übermalt wurden. Und erzählte, dass er eigentlich ein Maler sei, dem die DDR die Entwicklung verwehrt hatte. Dem Autor kam das ein wenig larmoyant vor und er schrieb es dem Alkohol zu. Später wusste er es besser, wusste, dass das Leben dieses Künstlers eine Schicht mehrfacher Übermalungen ist.

Es gibt wohl wenig Künstlerbiografien der DDR, deren Wendungen so von Kulturpolitik beeinflusst waren wie die des Jürgen Böttcher, der sich als Maler Strawalde nennt. Er hat in der DDR zwei Karrieren gemacht, als Dokumentarfilmregisseur und als Maler, diese beinahe unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die vielen Preise nach der Wende, seine Dokumentarfilme allerdings wurden auch in der DDR gewürdigt, mögen eine Art ausgleichender Gerechtigkeit sein, eine dritte Karriere jedoch war unwiderbringlich zerstört. Böttchers erster und einziger Spielfilm, Jahrgang 45 mit Rolf Römer, kam 1966 mit beinahe einer ganzen DEFA-Jahresstaffel in die Kammfabrik, so hieß das im Jargon. Und dieser Film, wer ihn sah, weiss dass, hätte so etwas wie die Nouvelle Vague des Ostens werden können, das waren Bilder auf höchstem artifiziellem Niveau. Ein solcher erster Film begründet im Normalfall eine Lebens-Karriere. So kündeten all die Dokumentarfilme Jürgen Böttchers von der Sehnsucht nach Bildern. Und die Venus nach Giorgione war nicht einfach ein schöner Film, es war sein Schrei nach Anerkennung als Maler.

Dass er diese nun in reichem Maße erhält und ihr Ausbleiben nicht mehr in feuchten Runden zu betrauern hat, das ist einer jener glücklichen Fälle, da man das Leben gerecht nennen mag.


Autor: Henryk Goldberg

Text geschrieben 2001