Der tut, was ein Mann tun muss

Es gibt an jedem deutschen Stadttheater bessere Schauspieler als Marion Michael Morrison, der sich später John Wayne nannte. Doch es gibt wenig gute Schauspieler, die berühmter sind als John Wayne. Denn er war nicht in erster Linie Schauspieler, er war und ist und wird bleiben: ein Symbol.

Wenn ein Schauspieler berühmt wird, berühmt über alle Maßen, dann liegt das nicht nur an seiner Kunst. Es liegt immer auch an der Zeit, die etwas ihr Wichtiges in diesem Gesicht, in dieser Ausstrahlung verkörpert sieht. Und in sehr seltenen Fällen, wenn diese Verkörperung nicht nur den vergänglichen Zeitgeist vollendet beschreibt, sondern ein menschliches Grundmuster, dann bleibt der Ruhm länger als der Zeitgeist, der ihn hervorbrachte. John Wayne ist der Archetyp des noch immer gültigen Grundmusters einer Nation, eines Grundmusters, das in einer jeder Generation reproduziert wird. Man mag darüber lächeln oder rechten, aber wer die Faszination der Figur des freien Mannes mit der Waffe in der Hand nicht versteht, der versteht Amerika nicht. Dieses Land wurde gegründet mit der Waffe in der Hand, und so wie der Islam den Säbel in der Hand seines Stifters nie ganz vergessen hat, so vergaß Amerika auch nie die Kanonen, mit denen die Engländer aus dem fremden Land getrieben wurden und nicht den Colt und die Winchester, mit denen das den Indianern im eigenen Land geschah. Die Waffe und der Mann der sie führt hatten auch Teil am mental-psychologischen Nation building der USA und der Mann der tut, was ein Mann tun muss ist so etwas wie eine genetische Erbinformation der Amerikaner.

Und dieser Mann sieht genau so aus wie John Wayne. Der sportliche Sohn eines Apothekers jobbte nach der Schule, studierte ein bisschen und spielte Football. Nach einigen Hilfs-Jobs in den Studios begann seine Karriere 1926 als Komparse. Dann wurde es mehr, doch er blieb in den 30-iger Jahren durchweg ein Mann der B-Movies, der kleinen, billigen, schnellen Produktionen. Bis ihn der große John Ford 1939 in dem späteren Klassiker Ringo (Stagecoach) besetzte, von da an war Wayne ein Star, er blieb es bis zu seinem Tod 1979, und der Western eine Kunst. Der andere wichtige Regisseur für Wayne war Howard Hawks. Als dieser mit ihm 1948 Red River drehte, ein Klassiker des Genres, da soll John Ford gesagt haben „Ich wusste gar nicht, dass der Hurensohn schauspielern kann“, da war John Wayne schon seit zehn Jahren ein Star.

In der Tat, Waynes Ausdruckfähigkeit differenziert zu nennen oder nuancenreich, das hat noch niemand unternommen. Doch darauf kommt es nicht an, ein Grundmuster, ein Archetyp wird nicht von filigraner Differenziertheit beschrieben, sondern kompakter Klarheit. Und kompakter, klarer als John Wayne war tatsächlich kaum einer,  wobei zu seinem Status auch das Glück gehört, der rechte Mann zur rechten Zeit gewesen zu sein. Zu seiner Zeit begann der Western, sich vom Ruch der Billigproduktion zu emanzipieren, mit ihm wuchs das Genre zur ernst zu nehmenden Ikone. Es gibt wenig Schauspieler, bei denen die Figur und der Mensch so zur Deckung kommen. Wayne war alles, was das alte Europa nicht mag: Republikaner, er unterstütze McCarthy und Goldwater, den Vietnamkrieg und den Kollegen Ronald Reagan und niemanden, der ihn sah, wird das überraschen. Er erhielt einen Oscar für Der Marshal (1970) und es ist kein Zufall, dass es für dieses eine mal war, da der Held soff und jammerte, ehe er doch tut, was ein Mann tun muss. Für den Film Der Eroberer (1956) erhielt er als Dschingis Khan das Prädikat der größten Fehlbesetzung aller Zeiten. Es bringt eine bittere Ironie in dieses ironiefreie Leben, dass er (und viele andere der Crew), wie allgemein vermutet, an den Folgen der Dreharbeiten in einem ehemaligen Atomkraftwerk starb.

Der Gewinner John Wayne ist so etwas wie der Gegenentwurf zu James Dean und Humphrey Bogart, die die melancholischen Verlierer repräsentierten. Das hätte er nicht gekonnt, denn die großen Verlierer sind immer auch große Schauspieler.


Autor: Henryk Goldberg

erschienen in „Thüringer Allgemeine“, 26. Mai 2007

John Wayne starb am 11. Juni 1979