Henry Hathaway (Henri Leopold de Fiennes) 13.3.1898 – 11.2.1985

Ein Handwerker sei da von uns gegangen, meint man, einer der letzten vielleicht. Ein treuer Diener seiner Herren, als Hollywood noch das famose System aus Studio-Macht, Verlässlichkeit der Genres, Stars und Shots war. Hathaway-Filme, das seien vielleicht nicht die Spitzen ihrer Genres gewesen, aber tragend im soliden Unterbau. Kaum etwas Persönliches sei in ihnen zu finden, kein touch, kein Anliegen, schon gar keine Widerborstigkeit, nichts irgendwie Verstecktes. Dafür die ruhige Würde der wahrhaften Beherrschung des Metiers.

Woran also sich erinnern im Werk Henry Hathaways? An eine Ganzheit vielleicht, die dem Wort „Routinier“ widerspricht. Sie mag daher rühren, dass Hathaways Leben und die Geschichte des amerikanischen Films so miteinander verwoben sind. Er war seit 1908 Schauspieler, dann von 1919 bis 1933 Assistent Director zum Beispiel bei Filmen von Josef von Sternberg und Victor Fleming. Und ab 1932 war er selber Regisseur. Von Western natürlich.

Es waren Western, die seine Arbeit bestimmten. Vom schnellen Randolph-Scott-Serienfilm bis zu seinen letzten Filmen, die in der Tat mehr den Namen Spätwestern verdienen als viele. Nicht, weil sich in ihnen so viel und gar die Perspektive geändert hätte. Eher, weil sie von alt gewordenen Männern im Herbst handeln, die sich nicht ändern.

Die Ganzheit seiner Actionfilme rührt gewiss auch daher, dass er sich zumeist nicht auf die Arbeitsteilung mit einem Second-Unit-Regisseur einließ. Er drehte auch die Action-Szenen, auch die Stunts, die location-Routinen selber. Sogar die minderen Hathaway-Filme beglücken ein wenig dadurch, daß sie nicht zerfallen in zwei verschiedene Filme, einen, der eine Geschichte zu erzählen hat, und einen, der die genregemäßen Action-Attraktionen zu liefern hat.

Geschätzter vielleicht als für seine Western ist Hathaway für seine „halbdokumentarischen“ Gangsterfilme. Darin tut er, was er auch für den Western tat. Er ersetzt das Pathos, die Mythologie, das Überlebensgroße durch eine Spur mehr Sinn für Realität. In Hathaway-Filmen gibt es gelegentlich mehr ganz unkokett gezeigte Häßlichkeit, mehr zweite Blicke auf „Nebensächlichkeiten“, als man es von Actionfilmen gewohnt ist.

Und Hathaway-Filme sind auf erstaunliche Weise hell. Es gibt sogar Filme von ihm, in denen man sich vor einer Schattenlosigkeit, vor dem Untergang der Welt in trüber Fahlheit fürchten kann. Hathaway ist sehr weit weg vom film noir. Seine Filme zeigen, was man sieht.

Alle Hathaway-Filme sind braun, auch die schwarzweißen. Denn schwarz und weiß gibt es nicht wirklich. Natürlich kann der, der wie Hathaway die Erfindung von Schwarz und Weiß ignoriert, besser sehen.

Und dann sagt er uns, dass jede Geschichte, auch die im Märchenglanz Wie PRINZ EISENHERZ, auch die in tödlichem Seelenlärm, eine einfache Geschichte ist. Hathaways Filme sind Filme über Leute, die Interessen haben. Ganz und gar irdisch.

 

Autor: Georg Seeßlen

Text veröffentlicht in epd Film 3/85